Entscheidungen.

Momentan läuft es mal wieder nicht so gut bei mir. Zumindest was die sozialie Situation angeht. Mein Problem ist, dass ich im Grunde niemanden habe, mit dem ich groß darüber reden kann... also schreibe ich es einfach mal.

 

In den letzten Tagen ist mir wieder verstärkt vor Augen geführt worden, dass es, mal von meinem Mann abgesehen, eigentlich niemanden in meinem Leben gibt, mit dem ich über meine Probleme reden könnte. Und vielleicht auch gar nicht mehr wirklich möchte, da die Angst zumindest momentan wieder sehr groß geworden ist.

 

Es fängt immer alles mit einer "Kleinigkeit" an. Eine Absprache, die nicht eingehalten wird. Sie löst Enttäuschung aus, teils auch Wut, weil scheinbar in den letzten Jahren das Einhalten von Abmachungen nicht mehr wirklich in Mode zu sein scheint. Irgendwann sagte mal jemand Schlaues, dass man Gefühle nicht hineinfressen soll. Was macht man also? Man drückt seine Enttäuschung aus.

 

Damit beginnt ein sinnloser Kreislauf, den ich in den letzten Jahren nur zu oft durchgangen bin. Nachwievor frage ich mich, ob und wie man darauf überhaupt reagieren kann. Wie andere Leute damit umgehen. Wie reagiert man, wenn aus der empfohlenen Äußerung ein Streit entwächst, bei dem einem Aufregung und Wut entgegen schlagen? Erstmal denkt man, es könnte auch einfach ein schlechter Tag bei dem Gegenüber gewesen sein. Manchmal war es dann auch mein schlechter Tag, diesmal aber nicht. Eigentlich war er sehr schön gewesen.

 

Einfach aus Überforderung, schweigt man zuerst. Dann versucht man, den Streit einfach ruhen zu lassen. Aber das, was einem entgegen schlug, hat einen schon so sehr verletzt, dass eine minimale Regung des anderen ausreicht, um die Ruhe wieder brechen zu lassen. Was dann tun? Irgendjemand Schlaues hat mal gesagt, dass man Gefühle nicht hineinfressen soll. Also äußert man auch hier wieder seinen Unmut. Diesmal versucht man es, ohne angreifend zu sein. Betont es vielleicht auch.

 

Aber dann? Es kommt das Unausweichliche: Man erntet wieder Wut und Aufgebrachtheit. Man versucht sich zu rechtfertigen, nicht beizugeben. Gerade weil man es so oft schon tat. Und in diesem Gespräch wurden Grenzen überschritten, also kann man jetzt nicht mehr beigeben. Aber man redet gegen eine Wand. Man redet und redet und redet, aber da ist nur eine Wand. Was macht man mit einer solchen Wand? Ich weiß es nicht. Ich drehe mich um und versuche zu gehen. In diesem Fall ist der Gegenüber schneller gewesen.

 

Man schläft eine Nacht. Das soll angeblich helfen. Am nächsten Morgen denkt man sich, dass eine Entschuldigung, obwohl man nicht einmal weiß weswegen, da man selbst enorm verletzt und enttäuscht ist, vielleicht hilft. Also entschuldigt man sich.

 

Die Reaktion trifft hart. Mich hat sie vollkommen aus der Bahn geworfen. Man freut sich darüber, aber entschuldigt sich selbst nicht. Jetzt frage ich mich: Rede ich mit einem Kind? Wer ist dieser Mensch, dem man eigentlich so vertraut hat, der einem nun den Fuß mit aller Macht in den Allerwertesten jagt? Hat man eine so schlechte Menschenkenntnis? Saß die Verletzung nicht schon tief genug, muss man jetzt noch einmal draufschlagen? Scheinbar. Man wird sauer, weißt den anderen strikt zurück. Man bereut seine eigene Entschuldigung, die doch eigentlich nur gut gemeint war.

 

Man weint. Lange. Stundenlang. Wenn nicht Äußerlich, dann im Inneren. Es schmerzt in der Brust, es zieht, es tut weh, es hämmert wild und klopft. Die Gedanken kreisen, immer wieder drumherum. Wie reagiert man darauf? An welchem Punkt hätte man es mit irgendeiner anderen Reaktion abwenden können? Will man das überhaupt? Immerhin wurde man tief verletzt. Niemand regt sich ohne einen Grund auf, ich hatte einen. Ich und mein Grund wurden mit Füßen getreten. Will man dabei eigentlich klein bei geben?

 

Wieder ist ein Tag rum. Der andere will Konversation darüber. Aber was soll es bringen? Mir wurde bereits klar gemacht, dass mich die alleinige Schuld treffen soll. Warum soll ich darüber noch reden? Warum muss ich es mir antun, noch weiter verletzt zu werden, wenn ich den Ausgang schon kenne? Ich muss das nicht. Also verweigere ich die Konversation.

 

Es folgt noch ein Tag, an dem die Gedanken kreisen. Ist man ein so schlechter Mensch? Man bekommt Leute mit, mit denen man das gleiche oder ein ähnliches Problem hatte. Sie meiden einen, hassen einen. Sie tuscheln hinter meinem Rücken, verfolgen jeden meiner Schritte, auf den eine abwertende Meinung kommt. Ich versuche, es zu ignorieren. Aber allein zu wissen, dass es da ist, knabbert unaufhörlich in einem. Es ist nicht so, dass man diese Streitigkeiten wirklich wollte. Es ist nur so, dass man nicht anders mit den Situationen umgehen konnte. Warum? Die Antwort ist simpel: Man hat es nie gelernt. Man kann keinen Tee kochen, wenn man nicht weiß, wie es geht.

 

Man schläft noch einmal darüber. Danach entschließt man sich: Gut, ich kann es wohl nicht abwenden. Es gibt genau zwei Möglichkeiten: Die Schuld auf sich nehmen oder die Trennung herbeiführen. Eine Entscheidung, die ich, obwohl ich nicht alt bin, mehrmals im Jahr treffen muss. Und immer ist sie sehr schwer und immer tut sie weh.

 

Das Problem dabei ist, dass beide Möglichkeiten keine guten sind. Gesteht man die Schuld voll ein, obwohl die man nie allein trägt, kratzt es nicht nur am Ego (das ohnehin kaum vorhanden ist), sondern lässt Dinge mit sich machen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der andere es wieder versucht. Er wird erwarten, dass man wieder bei gibt. Und dann? Will ich, dass mein soziales Leben darin besteht, immer wieder Schuld für Dinge auf mich zu nehmen, zu denen ich nur die Hälfte kann?

 

Aber die andere Möglichkeit ist ebenfalls schlimm. Man kennt diese Person ja nun jahrelang. Es hat so seine Gründe, warum man ihr vertraut. Und eigentlich möchte man diese Gründe nicht aufgeben, diese Bekanntschaft nicht aufgeben. Eigentlich will man nur wieder zu dem zurück, was vorher war. Allerdings muss man sich schmerzhaft eingestehen, dass das nie wieder so sein wird.

 

Man fängt an, von dieser Idee Abschied zu nehmen. Es tut weh, es schmerzt. Wieder weint man. Stundenlang. Egal, für welche der beiden Möglichkeiten man sich entscheidet, es wird nie wieder so, wie es war. Also ist es im Grunde egal, welchen Weg man geht. Ich entscheide mich dafür, die Schuld allein zu tragen. Mir ist der Frieden für diejenigen, die noch tangential involviert sind, wichtig. Also werde ich der Sündenbock, der hier von meinem Gegenüber so streng gefordert wird.

 

Der Druck ist groß. Wird es funktionieren? Wird es scheitern? Wird er sich darüber aufregen, dass ich einfach beigebe? Vermutlich nicht. Er wird sich bestärkt fühlen und in Zukunft anfangen, seine Spiele mit mir zu treiben. Ich habe Angst davor, sehr große sogar. Ich weiß nicht wohin, also wende ich mich an jemand dritten, der ihn nicht kennt.

 

Auf mein Hilfegesuch folgen Anschuldigungen. Ich tue meine Pflicht als Freundin nicht. Aber wie soll ich das tun? Ich habe einige Male versucht sie zum reden zu bringen, aber oft sagt sie einfach "Red doch du!". Also rede ich. Da wir uns noch nicht lange kennen, rede ich hauptsächlich über mich, meine Aktivitäten, Leute, die ich kenne. Und nun? Nun bekomme ich gesagt, ich wäre eine schlechte Freundin, weil ich ihr nicht zuhöre und zu viel von mir rede.

 

Wie geht man denn jetzt damit um? Ich stiere auf das Handy in meiner Hand, auf die SMS, die dort geschrieben wurde. Was mache ich jetzt? Erstmal weine ich. Was soll das?

 

Wieder ein Gedanke, der nur allzu bekannt ist. Ich bin ein schlechter Mensch. Ich muss ein sehr schlechter Mensch sein, wenn zwei Leute, die mir eigentlich etwas bedeuten, kurz hintereinander so zu mir sind. Ich bin heillos überfordert, weiß nicht wohin.

 

Ich entschuldige mich. Wieder weiß ich nicht wirklich warum, aber es scheint der einzige Weg zu sein. Ich entschuldige mich. Danach schweig sie, ich ebenfalls. Ich weine. Ich weine, weine, weine, weine. Und ich weiß nicht wohin. Immer wieder die Gedanken: Ich bin schlecht. Ich kann scheinbar einfach nicht sozial sein. Ich sollte den Leuten da draußen ersparen, mich kennenzulernen. Auf einmal tun mir all jene leid, die mich wenigstens ein bisschen kennen.

 

Und wieder wächst der Entschluss in mir, niemanden mehr an mich zu lassen. Ich bin nicht für Freunde gemacht. Ich verstehe euch nicht und gehöre nicht in eure Welt.

 

Ein Gespräch mit meinem Mann. Aus irgendeinem Grund, den ich nie recht verstehen werde, hält er zu mir. Er beruhigt mich, wie schon so viele Male zuvor. Er erklärt mir, was hätte gewesen sein können. Was ich hätte tun können. Aber immer bleibt die Frage, ob das so stimmt. Und ob es wirklich geholfen hätte. Er meint, Leute sind einfach nicht immer für sich geschaffen. Aber wie kommt es dann, dass außer ihm scheinbar niemand für mich gemacht zu sein scheint?

 

Eifersucht, Verzweiflung, Wut, Trauer. Das ist, was in mir herrscht. Alle rennen nach irgendeinem Ziel, sozialisieren mit anderen, freuen sich, kommen weiter. Ich scheitere bereits an der Grundlage, der Sozialisation. Was kann ich schon, wenn ich nichtmal das hinbekomme? Ich kann halbwegs gut mit einem Stift und Worten umgehen. Ich versuche immer mein bestes um freundlich, lieb und süß zu sein. Ich will niemandem etwas Böses.

 

Irgendwo darin bin ich vollkommen fehl gegangen. Sehe ich mich in meinem "Freundeskreis" um, sehe ich nur Leute, die mich hassen oder die mich nicht kennen. Oder nicht mein wirkliches Ich, weil sie mir so lieb sind, dass ich sie nicht belasten will. Wenn ich mich so umsehe erkenne ich: Ich bin nicht für eure Welt gemacht. Ich werde weiterleben, allein, nur mit meinem Mann. Und ich werde euch in Ruhe lassen, ziehe mich in den Schatten zurück. Wenn ihr meint, ich trage an etwas Schuld: Dann ist es jetzt so. Ja, ich nehme die Schuld auf mich. Ich akzeptiere, dass ich in diesem Leben nicht glücklich mit auch nur einem von euch werde. Aber das ist egal, Hauptsache ist, ihr müsst mich nicht mehr ertragen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Ivareen (Donnerstag, 19 September 2013 00:09)

    Es hat sehr lange gedauert diesen Blog zu lesen, weil ich immer wieder inne halten und an meine eigenen Erfahrungen denken musste..

    Immer wieder finde ich es unsagbar interessant Menschen zu treffen, die scheinbar auf meiner Wellenlänge sind, einen ähnlichen Humor haben, Dinge betrachten, wie ich sie betrachte. Ich freue mich, denke "Wow, endlich jemand, der mich nun aber WIRKLICH mal versteht!". Eine Zeit lang geht es gut, wir wird überschwänglich, haben täglich Kontakt. Wir tauschen uns aus, lachen zusammen, fluchen zusammen auf unsere 'Problem'-Menschen. Ich liege nachts wach, um über sie und ihre Probleme nachzudenken, ärgere mich über manche mehr als sie sich selbst.
    Irgendwann verebbt das. Der Kontakt beschränkt sich auf alle paar Tage, dann einmal die Woche, bis mir auffällt, dass ich nur eine Lücke gefüllt hab. Nun hat sie wieder andere Leute - plural, das schlägt mich immer. Wer bleibt schon bei einer einzigen vermeintlichen Freundin, wenn man doch eine ganze Gruppe haben kann? Ich würde das tun, weil ich sie mag.

    In meinem Fall, in dem aufgrund von Depressionen und Ängsten durch Schulmobbing der Großteil des Lebens im Internet stattfindet, falle ich immer wieder auf solche "Freunde" herein, weil ich glauben möchte, dass sie Freunde sind.
    Auch ein immer währender Kreislauf, aus dem ich langsam - aber immerhin etwas lerne. Mit dem ein oder anderen Rückschlag.

    Es gäbe noch so viel mehr zu sagen, aber das tue ich lieber persönlich. Also bin ich bis zum nächsten Rückschlag, wie immer, zuversichtlich und sage:
    "Hi, ich bin ein kaputter Mensch. Ich lüge, hetze, hure und kann mich an die meisten anderen Gerüchte schon gar nicht mehr erinnern - Angenehm!"