12.12.2011
Wieder und wieder schüttelten mich meine eigenen Krämpfe durch. Die Decke hatte ich mir über den Kopf gezogen, das Kissen hatte mittlerweile kaum einen trockenen Flecken mir. An meiner Seite
spürte ich den kleinen Körper von Fay, aber sie war mir jetzt absolut egal. Immer und immer wieder schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf, ließ unentwegt neue Tränen das Kissen befeuchten und
mich schütteln. Ich hatte es verbockt. Ich hatte es nach Strich und Faden, in der Eleganz eines Elekks, einfach verbockt. Aus Dummheit und weil ich meine verfluchte Klappe einfach nicht halten
konnte, war ich einfach zu weit gegangen. Ein unverzeihlicher Fehler.
Drei Tage war es jetzt her. Seit drei Tagen hatte ich nun nicht geschlafen, das Essen gemieden. Drei Tage, die mich alle Kraft kosteten um meine freudige Maske aufrecht zu erhalten. Bis ich mich
abends allein in mein Bett legte und einfach zu erschöpft war um alles zurück zu halten. Ein unverzeihlicher Fehler. Ein Fehler, der mich um den Verstand brachte, aber wem machte ich etwas vor?
So, wie ich Thanris kannte, war dies nicht nur ein unverzeihlicher, sondern ein entgültiger Fehler gewesen. Und es war allein meine Schuld. Immerhin ein Gutes hatte die Sache: Er war der erste
Gefährte, der mich überlebte. Mich und meinen alles mordendenden Verfolger. Kath'ranis, so er davon erfuhr, dass ich Thanris gehen ließ, würde sich mehr als immens freuen. Und dafür hasste ich
ihn bald mehr als für alle Taten, die er zuvor an mir verübt hatte.
Als mich der nächste Weinkrampf packte, diesmal nicht mehr vor Verzweiflung, sondern auch Wut über Kath und vorallem über mich, jammerte Fay leise auf. Das Schiff war ständig in Bewegung und sie
kam weder mit meinem Zustand, noch dem wackeligen Untergrund klar. Was das Letztere anging konnte ich mit ihr mitfühlen. Auch ich hatte so meine Probleme mich zum Einen in der neuen Umgebung
zurecht zu finden, zum Anderen schaukelte diese Umgebung auch noch. Und auf offener See auch gerne mal recht bedrohlich. Eigentlich wollte ich auch gar nicht hier sein, aber ich hatte
eingewilligt. Und letzten Endes war diese ganze Reise ohnehin nur für mich gedacht.
Wie also war ich hierher gekommen? Einen oder zwei Tage, nachdem ich Thanris von mir wieß, saß ich wie üblich an der heulenden Eiche. Ich hatte es nicht mehr aushalten können durch die Stadt zu
gehen und gute Laune vorzuspielen, wo keine war. Eine Worgin gesellte sich zu mir und wir verfielen ins Gespräch. Um mich abzulenken und aufzuheitern, bot sie mir diese Schifffahrt an. Nach
Sturmwind. Und nun, nun lag ich hier, in einem fremden Bett, auf einem fremden Schiff, auf dem Weg zu einer fremden Stadt, mit fremden Leuten. Was zuerst als gute Chance erschien, ließ mich jetzt
erkennen, dass ich alles hinter mir ließ, was mir wirklich etwas bedeutete, um als unbeschriebenes Blatt auf einem neuen Kontinent geweht zu werden. Ich hoffte inständig, dass die Reise auch
wirklich nur eine Woche dauerte.
Man konnte Wutpfote keinen Vorwurf machen. Sie war eine wirklich freundliche, gar liebevolle Worgin. Sie hatte sogar ohne groß Vorbehalte zu zeigen erlaubt, dass ich meine Destille und die
Kräuter aus Thanris Zimmer holen und hier unterbringen durfte. Ungeduldig, wie ich war, hatte ich beim nächstbesten Zeitpunkt auch gleich begonnen das Zeug umzuräumen. Und hatte mit viel Mühe
Thanris eine Nachricht hinterlassen, im Nachhinein das Todesurteil für alle Hoffnungen, die ich bis dahin noch aufbringen konnte. Ich war also wie gewohnt Hals über Kopf einfach losgestürmt. Und
heimste nun meinen Ärger dafür ein. Naja, man erntet, was man sät. Und ich habe viel gesät. Vorallem krummes Zeug.
Es blieb die Frage offen, was in Sturmwind passieren würde. Wutpfote wollte mit mir "Maronen" essen und einen "Schmusehund" suchen. Das versprach immerhin kurzweilig Ablenkung. Und ich war
gespannt, was noch alles passieren würde. Angeblich sollte die Stadt stinken und viel zu laut sein. Es sollte Bäume in Steinen geben und Wasser in den Straßen. Nach eintausendsechshundert Jahren
mein erster Ausflug auf den anderen Kontinent. Ach, wenn Thanris nur dabei wäre...
Den letzten Gedanken schluckte ich sogleich wieder herunter, immerhin war ich inzwischen sowas wie ruhig geworden. Vorsichtig streckte ich den Kopf unter der Decke hervor und schnüffelte. Der
Geruch nach Gebratenem hatte sich breit gemacht. Gestern hatte es Reh in Pilzsoße gegeben, auf eine Art, die ich noch nicht kannte. Die aber durchaus sehr genießbar war, wenngleich ich das Meiste
davon eh stehen ließ. Und dazu Wein. Ich hatte mich nicht getraut einen Schluck zu nehmen, Wein ist Alkohol. Ich mag Alkohol in meinen Tränken oder Elixieren schon nicht. Er benebelt die Sinne
und macht aus normalen Elfen wildgewordene... Irgendwasse. Weder das eine wollte ich in einer fremden Umgebung nicht eingehen, noch das andere. Also ließ ich es bleiben und begnügte mich mit
Wasser.
Neugierig, was es wohl heute zum Essen gab, glitt ich leicht unter der Bettdecke hervor. Zunächst hielt ich mich am Bett fest, das Wanken war mir wirklich nicht geheuer. Es hatte was vom
Getragenwerden, was ich abscheulich fand. Nur langsam legte ich den Weg zur Tür zurück, spürte an meinen Beinen immer wieder Fays Fell. Das Tier folgte artig auf Schritt. Langsam und versucht
leise öffnete ich die Tür und nahm einen großen Atemzug an dem einzig wirklich Wunderbaren dieser Reise: Der Seeluft.