15.12.2011

 

Wie immer, wenn ich träume, fing auch dieser mit absoluter Dunkelheit an. Ein mir bekannter Hauch Geruch lag in der Luft. Es war irgendwie eine Mischung aus Zweien, wenn ich es genau nehme. Süßlich, vertrauenerweckend. Die Erinnerung anregend. Wie ein Bad in Wohlgefühl suhlte ich mich erst eine Weile darin, bevor ich überhaupt erst daran dachte etwas anderes zu entdecken.

Wie immer, wenn ich mich nicht auskenne, streckte ich auch hier die Hände nach vorn aus, begann zu fühlen. Um mich herum war es warm, angenehm. Irgendwie war ich mir sicher, dass dies nie und nimmer ein schlechter Traum werden konnte. Im Nachhinein betrachtet bin ich mir aber immer noch nicht sicher, ob er nun gut oder schlecht war.

Als ich so für mich tastete bemerkte ich, dass ich wohl im Bett lag. Ja, das Bett. Ohnehin mein Lieblingsort. Ich griff nach der Decke, sie war sehr weich und warm, und zog sie mir bis über die Ohren. Während ich mich so erneut einkuschelte, bemerkte ich ein zusätzliches Gewicht auf mir. Ich verharrte in der Bewegung und lauerte gebannt auf das, was da kommen möge.

Langsam und fast schon zärtlich wurde mir ein Stück der Decke geklaut und von meinem Ohr weggezogen. Es durfte, es konnte einfach nichts Schlimmes passieren! Und das tat es auch nicht: Ich spürte warme Lippen an meinem Ohr, die einen leichten Kuss darauf hauchten. Mir entfuhr ein freudiges Glucksen. Oh, Zuneigung, das bekam ich gern. Wer nicht? Oh, wobei, da fiele mir spontan jemand ein. Kurz flackerte Thanris' Bild in meinem Inneren auf, wurde aber sogleich wieder weggewischt von einem leichten Glucksen des anderen und einem verliebten Kuss auf meine Schulter. Vorsichtig rollte ich mich auf den Rücken und bemerkte dabei, dass derjenige sich mit beiden Armen an meinen Seiten abstützte. Die Decke glitt von meinem Körper und binnen Sekunden lag der offensichtliche Mann völlig über mir. Und genauso binnen Sekunden war die Decke über ihn gezogen worden, so dass wir zwei uns vollständig unter dem wohlig warmen Ding ankuscheln konnten.

Der Atem des anderen ging ruhig. Keiner von uns beiden rührte sich, schien auf ein Zeichen des anderen zu warten. Mit jedem neuen Herzschlag keimte die Erkenntnis in mir auf, wen ich da eigentlich vor mir hatte. Ich konnte mich der Erkenntnis nicht erwehren, dass es doch ein schlechter Traum werden könnte. Doch irgendwie schien hier etwas anders zu sein, als ich es aus meiner Gegenwart her kannte. Allein der Geruch schon sagte mir, dass es Kath'ranis war, den ich hier vor mir hatte. Aber irgendwie verhielt er sich anders, als ich es von ihm gewohnt war.

Mich versichernd hob ich die Hände an, legte sie behutsam auf seiner Brust ab. Er zuckte nicht einmal zusammen, sondern beugte sich zu mir herunter, legte einen Kuss auf meine Stirn. Meine Fingerspitzen strichen tastend über seine Haut, suchten die kleine, fleischige Narbe auf seinem Brustbein. Doch nichts war zu spüren. Irritiert ließ ich meine Finger weiter wandern, das Schlüsselbein hinauf bis zum Ansatz seines Halses. Der Körper, der sich nun langsam endgültig auf mir ablegte und mir seine Wärme schenkte, war nicht ansatzweise so kräftig gebaut, wie Kath es heutzutage war.

Den Weg zu seinem Gesicht hinauf ersparte ich mir. Als er sich auf mir ablegte hatte es mir jeglichen Atem verschlagen. Ich spürte seinen Körper in der Gänze, die Wärme, die Zärtlichkeit dahinter. Jede Bewegung des Körpers wurde spürbar, ließ Muskeln sich bewegen und über den meinen Körper streichen. Kath begann mich zu liebkosen. Zunächst die Wangen, dann weiter herunter, das Kinn, den Hals, die Schulter, Schlüsselbein, Brust. Jede Bewegung, jeder Kuss ließ eine Wonne Wohlgefühls in mir aufsteigen. Ich dachte, ich müsste innerlich explodieren. Außerdem hatte sich mein Verdacht bestätigt, so wog ich mich in Sicherheit. Kaths Gesicht strich beständig über meine Haut und ließ mich den geliebten Stoppelbart spüren. Heute war jener Stoppelbart zu einem gepflegten Vollbart geworden.

Langsam drückte ich den Rücken zu einem Hohlkreuz durch. Kath verstand wohl und schob die Arme unter meinem Rücken hindurch. Ich klammerte mich an seinen Schultern fest, wie sehr liebte ich das. Dieses Gefühl vollkommener Geborgenheit, sich fallen lassen zu können, den Moment innig auf ewig in meinen Erinnerungen festzuhalten.

Doch wieder war etwas seltsam. In dem Moment, in dem er mich umschlungen hatte, hatte sich etwas geändert. Die Arme waren kräftiger, der ganze Körper muskulöser geworden. Wieder verharrte ich, irritiert, in allen Bewegungen. Ich legte den Kopf in den Nacken, die Stirn in nachdenkliche Falten. Ein tiefes Grollen stieß mir entgegen, bevor ich seidige Lippen auf meinem Hals spürte. Keine Spur mehr von einem Bart, mit wem hatte ich es nun zu tun?

Ich ließ die Hände von seinen Schultern herunter wandern, die Arme und letztlich auch die Brust erkunden. Seidiges Haar fiel von seiner Schulter herab und mir entgegen. Nur langsam änderte sich der Geruch, nahm eine kräftigere, männlichere Note an. Auf seiner linken Brust ertastete ich langsam aber sicher ein Mal, das mir nur allzu bekannt war. Wieder flackerte Thanris' Bild in mir auf. Fühlte ich mich eben völlig geborgen,war ich nun sowas wie verzweifelt. Binnen Augenblicken schossen mir Erinnerungen an gemeinsame Nächte in den Kopf, ließen mich erschauern und Beklommenheit in mir aufsteigen.

Über mir fing sein Körper an sich zu regen, sich an mich zu klammern, einen innigen Rhythmus zu geben und einzufordern. Bei Elune, wie sehr wollte ich das. Und wie sehr erinnerte es mich und ließ mich verzweifeln. Nie wieder würde ich das fühlen dürfen, ihn nicht riechen dürfen, die Geborgenheit nicht mehr fühlen dürfen. Und auch nie wieder diesen Rhythmus, der mich immer wieder in den wohligen Wahnsinn trieb.

Thanris' Bewegungen wurden heftiger, fordernder. Er schien mit einem Mal überall zu sein, über mir, unter mir, rechts und links. Ich wehrte mich nicht, wie denn auch? Wie sollte man sich gegen das wehren, was man sehnlichst herbeiwünschte? Ich klammerte mich fest an ihn, gab ohne Protest zurück, was er von mir forderte. Mit jeder so wohlig verstrichenen Sekunde wurde mir eines umso klarer: Ich brauchte ihn. Schon allein um nicht ständig meine Umwelt mit der aufgesetzten fröhlichen Maske zu täuschen. Und um nicht darunter mit jeder Minute weiter zu zerfallen.

Laut dröhnte es in meinen Ohren. Ein Glockenschlag, der eher Verwandtschaft mit einem Hammerschlag hatte, hallte in meinem Kopf wider. Thanris' Bewegungen stoppten nicht, aber sie fingen unweigerlich an ferner zu rücken. Ich verzweifelte. Nein! Das durfte nicht sein, es sollte weitergehen, ich wollte ihn wieder haben!

Die Welt begann sich zu schütteln, schüttelte so den geliebten Elfen in weite Ferne. Und dafür bemerkte ich, wie mich etwas am Arm festhielt. Fauchen mischte sich in den Glockenton, dann hörte ich die dunkle, nervige Stimme einer Zwergin: „Aufwachen!“ Instinktiv wischte ich mir übers Gesicht, bemerkte die Nässe darüber. Ich jappste, dann setzte ich mich auf. Wieder schüttelte es mich, diesmal war ich es selbst. Tränen rannen die Wangen herunter, ließen den Griff um meinen Arm weicher werden. „Oh, Ihr habt schlecht geschlafen. Keine Sorge, ich mach Euch ein so wunderbares Frühstück, den Traum vergesst Ihr ganz, ganz schnell!“ Die Zwergin lachte tief, ich erkannte sie als die Gastwirtin wieder, die mir dieses Bett zur Verfügung gestellt hatte. Beschwingt schlenderte sie davon.

Als sie aus dem Zimmer war, kletterte Fay auf meinen Schoß. Das Fell war warm, sie kuschelte sich an mich. Leise hörte ich ihr wohliges Schnurren, mit dem sie beständig versuchte mich zu trösten. Doch auch dieses Mal blieb mir nichts anderes übrig, als das Tier an mich zu drücken, die Tränen des neuen Weinkrampfes in ihr Fell laufen zu lassen. Es war das Ende, was diesen Traum zu einem schlechten gemacht hatte.