14.11.2010

 

Aufmerksam streifte das große Tier durchs Unterholz, schlang sich zwischen den Beinen von Riesen hindurch und ging den scharfen Schnäbeln der Hippogryphen aus dem Weg. Nahezu donnernd wiederholten sich die Worte des alten Druiden in seinem Kopf. "Sich den Tod nicht wünschen, der ist ohnehin gewiss." Ja, natürlich wünschte man sich den Freitod nicht, aber was nützte es ihm? Der Tod war das einzige, was ihm wirklich helfen konnte. Zumindest wusste er sehr gut, was mit verdorbenen Wesen geschah. Und die wenigsten überlebten. Genausowenig, wie die Schimäre überleben würde, die gerade vor ihm aufgetaucht war. Nur kurz, dann sprang er vor, setzte an. Der erste Biss musste es töten. Und wie gewohnt, tat er das auch.

Leise fing es in seinem Kopf an zu lachen. Er schüttelte den mächtigen Bärenschädel, versuchte so das Ding herauszubekommen. Doch wie jedes Mal, war die Mühe vergeblich. So richtete er aufgebend den Blick auf das Lager unter sich. Alle schliefen in Ruhe, bis auf der Säbler. Und ihm selbst natürlich. Faleth, noch immer mit grimmigem Ausdruck im Gesicht, schlief unruhig, warf sich oft umher. "Na, wieder eine Sorge mehr. Wäre der alte Bär doch im Wald geblieben und an einem Giftpilz verreckt!" Er schnaufte. Ja, sollte es sich lustig machen. Auch wenn er hier nicht glücklich war, das hatte Larelions Fragerei ihm immerhin offenbart, so wäre er im Wald noch um einiges unglücklicher gewesen. Und er wäre jetzt nicht hier, um Faleth zu helfen... wenn der das denn wollte. Der Blick des Bären wanderte weiter, blieb auf Asarhia hängen. Eine gute Arbeit hatte sie gemacht, sich ihren Schlaf redlich verdient. Der Säbler tat ihm leid, das Tier musste wohl schon eine halbe Ewigkeit gelaufen sein um sie hier aufzuspüren. Und nun durfte es noch wachen. Dabei hätte er als Bär ohnehin ausgereicht. Die Probleme mit ihrem Bein schienen sich langsam zu erübrigen, was ihn sehr beruhigte. "Auch die wird irgendwann von irgendwas aufgegabelt." Calyon rollte mit den Augen. Nicht einen ruhigen Gedankengang ließ es ihm heute. Er war schon grundgenervt, dabei war die Hälfte des Tages noch nicht rum. Er schluckte und nahm sich zusammen, immerhin gelang es ihm so das übellaunige Lachen für ein paar Momente etwas zu bannen. Sein Blick wanderte weiter, streifte den ruhig liegenden Larelion. Marendal hatte recht. Er war noch nicht so weit und würde noch einiges an Vorbereitung brauchen. Der junge Kaldorei schlief recht ruhig, nahezu neidvoll musterte der Bär den Elfen. Wie sehr wünschte er sich wieder ruhig zu schlafen. Wie sehr wünschte er sich endlich wieder Ruhe zu haben. Nicht zu träumen, nicht geweckt zu werden, einfach nur Ruhe. Ein Ohr des Bären zuckte und er wandte den Kopf in Richtung des Stampfens. Die Riesen hier waren wirklich unruhig. Aszhara schien etwas mehr betroffen zu sein, als die elfischen Gegenden, in denen er sonst weilte. Meister Bärenfährte würden solche Nachrichten nicht gefallen. Shan Hirschaupt noch weniger. Aber was sollte er tun, verschweigen ging nicht. "Und wenn sie dir dumm kommen, kannst du ihnen immernoch deine Fänge in den Nacken rammen." Ein innerliches Grinsen erfüllte ihn. Ja, er war in der Lage zu töten. Das hatte seine Stimme richtig erkannt. Und obwohl sie im gleichen Körper schwebten, fehlte eben jenem Teil die Fähigkeit ihn gänzlich einzunehmen. Und damit auch die Fähigkeit, seine Seele in ihren Grundfesten zu erschüttern. Er würde stark sein. Er würde diesen Teil seiner Selbst mit in den Tod nehmen. "Sich den Tod nicht wünschen, der ist ohnehin gewiss." Doch, er wünschte ihn sich, mehr als alles andere. Wieder schweifte der Blick über die Lagernden, blieb hängen an den selben Gesichtern. Vielleicht... vielleicht auch nicht. Vielleicht gab es eine andere Lösung und er war lediglich zu eingefahren sie zu sehen. Das Lachen wurde lauter, so dass er die Augen zukneifen musste. Kopfschmerz drang in ihn ein, als er versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Das letzte, was er als eigenen Gedanken noch zustande brachte leuchtete in nahezu neonfarbenen Buchstaben vor ihm auf. "Und wenn es mich meine Seele kostet, niemals gebe ich nach." Doch bevor der Bär sich wehren konnte, umfing ihn dunkles Laub gepaart mit dunklen Ranken und Fliegen.