19.10.2010

 

Sonne brennt auf den dunklen Pelz des kräftigen Tieres. Ruhig bewegt sich dessen Körper, atmet tief und langsam, die Augen geschlossen. Ab und an zuckt er mit den Ohren, wenn sich ein Insekt daran macht sich darin verkriechen zu wollen. Erst, wenn die Sonne tiefer sinkt, sich unter das Laubdach seines Verstecks schiebt und ihn auf der Nase kitzelt, blinzelt der Bär und schnaubt mürrisch. Wie, als wollte er die Sonne vertreiben, scheucht er sie mit den Tatzen weg, ohne Erfolg. Die große Pranke wandert auf die Nase des Bären, verdeckt die Augen, während das Tier sich herumrollt und erneut versucht zu schlafen. Doch es hat schon so lange den Träumen nachgehangen. Träumen des Dunkels, Träumen des Waldes, Träumen aus Erinnerungen und Träumen aus der Gegenwart. Manchmal, ganz selten, träumt er auch von der Zukunft oder seinen Ausflügen in den Smaragdgrünen Traum. Doch jetzt, jetzt und hier, ist es die Sonne, die seine Rühe stört, nicht die Träume. Schnaufend und Murrend erhebt sich der Bär, reckt sich, streckt sich und zeigt gähnend seine übergroßen Fangzähne. Niemand würde daran zweifeln, dass dieses durchaus mächtige Tier wirklich ein Bär ist. Niemand, der diesen Bären vielleicht kennt.

Der Bär trottet verschlafenen Blickes aus seinem Versteck. Etwas abwesend beobachtet er zunächst, schaut und sieht, was der Tag der restlichen Welt um ihn herum wohl gebracht hat. Aber bald wird er dem überdrüssig und setzt sich zielgerichtet in Bewegung. Seine Pfade führen ihn in ein Dorf, mitsamt Hafen. Auberdine nennt man es und es ist Ausgangspunkt für viele Reisende und Händler. Weil Bären nicht gerne in solchen Dörfern gesehen werden, verändert der Bär seine Form. Lange Ohren bekommt er und blaue Haut, die Haare werden lang und grün und es wächst ihm sogar ein Bart! Auch, wenn er jetzt ein Kaldorei ist, wie man Kaldorei so kennt, nur eben ein bisschen größer und muskulöser, auch jetzt schaut er nicht minder mürrischer drein als der Bär es tat. Und genauso mürrisch schaut er auch noch aus, als er auf den Steg geht und auf das Schiff zu dem großen Baum wartet. Und er muss lange warten. Und irgendwie merkt man, dass er Warten so gar nicht mag. Unruhiger wird er, sein Magen fängt an zu knurren und immer mürrischer schaut er drein. Doch irgendwann kommt auch das Schiff und er geht hinauf.

Bald darauf verlässt er das Schiff auch wieder, denn er ist angekommen. In den Wurzeln des großen Baumes hat sich ein kleiner Hafen versteckt, an dem das Schiff fest gemacht hat. Und wenn man den Hafen ein Stück hinauf geht, so wie es dieser Kaldorei macht, dann kommt man an ein Portal. Und wenn man dann auch noch durch das Portal geht, was auch unser Kaldorei macht, dann ist man in Darnassus. Und hier, hier geht der Kaldorei erst einmal in den Tempel. Und das dauert lange. Also nicht das Hingehen, das geht schnell. Aber bis er wieder herauskommt, das dauert so seine Weile. Man kann auch reinschauen und nachsehen, was der Kaldorei da macht. Und man sieht es und oh, er betet! Er kniet da, vor einem wundervollen Brunnen mit seltsam leuchtendem Wasser und murmelt grummlig viele Sätze in seinen Bart. Irgendwann erhebt er sich, verbeugt sich vor der übergroßen Staute im Zentrum des Brunnens, und geht hinaus. Etwas nachdenklich steht er dann draußen. Vermutlich weiß er nicht, was er jetzt tun soll. Aber dann, dann hört man seinen Magen ganz laut knurren! Wie der hungrige Magen eines Bären! Und so bringt der Kaldorei seinen Magen zu einer Händlerin, die ihm etwas Fleisch verkäuft. Im Gegensatz zu seinem Tempelbesuch ist das Fleisch ganz schnell gegessen.

Weiter geht der Kaldorei, immer weiter, bis er in der Stadt bei ganz vielen großen Bäumen ankommt. Dort warten schon ein paar andere Kaldorei, mit denen er redet, ab und an geht er mit einigen fort und kommt wieder. Das macht er, bis die Sonne gänzlichst verschwunden ist und der Mond aufgegangen ist und schon wieder dabei ist der Sonne die Hand zu schütteln. Erst dann wird der Kaldorei müde, träge und wieder mürrischer. Er verabscheidet sich, geht noch einmal bei der netten Händlerin mit dem Fleisch vorbei und lässt sich erneut ein Stück geben, das wieder ganz schnell weg ist. Und dann, dann geht er zu dem komischen, lilanen Portal. Und da geht er durch und wenn er da durch ist, dann ist er wieder an dem kleinen Hafen, der sich in den Wurzeln des großen Baumes versteckt. Dort geht er zu dem Steg und wartet wieder. Warten mag er wirklich nicht. Immer mürrischer wird er, bis das Schiff anlegt und er hinaufgehen kann. Und immer mürrischer wird er auch, als das Schiff fährt und ihn schließlich in Auberdine absetzt. Er geht den langen Steg entlang, durch einige Häuser hindurch zum Rand des Dorfes. Weiter führt ihn sein Weg, direkt in den Wald hinein.

Nach einem langen Tag Abwesenheit trottet ein großer, dunkler, mürrischer Bär wieder zu seinem versteckt. Er sieht sich um, schaut und prüft, vielleicht ist ja jemand in der Nähe. Nein? Gut, dann kann man sich verstecken und hinlegen und noch eine Weile den Mond ansehen. Und genau das macht der Bär auch. Nur wirklich lange schaut er den Mond nicht an. Wie schon die vielen tausend Jahre zuvor, fallen ihm die Augen zu und als die Sonne sich langsam über den Horizont schiebt, liegt die dicke, große Bärenpranke auf der Nase des eingerollten Bären und deckt seine Augen zu. Ruhig bewegt sich dessen Körper, atmet tief und langsam, die Augen geschlossen. Ab und an zuckt er mit den Ohren, wenn sich ein Insekt daran macht sich darin verkriechen zu wollen.