26.05.2010

 

Still und schweigend, wäre das langsam stetige Atmen nicht gewesen, hätte man mich für eine naturgetreue Statue halten können. Sacht spielte das Mondlicht in meinem Haar, der Wind ließ es wehen. Vögel zwitscherten, Säbler schlichen umher, auf der Suche nach Fressbarem oder Feinden. Alles so, wie es sein sollte um mich herum. Ruhe, am Rande der Stadt. Ich saß am Rande des noch von Mond – und Naturenergie leuchtenden Sees an der heulenden Eiche. Und war eigentlich bemüht zu meditieren.

Irgendwie war ich in den letzten Tagen aus den Fugen geraten. Noch immer irritierte mich allein der Gedanke daran. Oft hatte ich jetzt darüber nachgesonnen, warum ich derzeit so rastlos war, war aber bisher nicht zu einem wirklichen Grund gekommen. Ich hoffte nur inständig, dass man mir diese Rastlosigkeit und Ratlosigkeit nicht ansah. Gut, es stimmte nicht ganz, dass ich keinen wirklichen Grund gefunden hatte. Ein Schlüssel dazu lag bei der jungen Schwester, die mich dieser Tage begleitete. Sie war hochgradig irritierend für mich, was sie natürlich nicht wissen konnte. Normalerweise mied ich solche Personen bisher. Aber diese junge Kaldorei... sie war anders. Vielleicht nicht für andere, aber für mich. Sie irritierte mich, spielte mit jugendlicher Leichtigkeit mein wortgewandtes Spiel mit. Sie gab Dinge über sich preis, aber nicht in der Art, wie ich es eigentlich beabsichtigte. Sie kontrollierte, ob wissentlich oder nicht, jedes unserer Gespräche. Ungewohnt. Wahrlich. Eigentlich ein Unding, hätte man mich vor einem Monat gefragt, dass jemand mir so auszuweichen wusste. Und ich dieser Person nicht einmal sauer wurde. Wobei ich nicht mal wüsste weshalb ich ihr hätte sauer sein können: Sie beantwortete jede meiner Fragen. Aber eben nie so, wie ich es erwartete, wie ich es wollte. Ohne, dass ich es wirklich mitbekommen hatte, hatte sie die Führung übernommen. Ob es so weit reichte, dass ich ihr eines Tages folgen würde? Noch war es anders herum, noch ging ich voran. Noch. Wer weiß schon, was die nächste Nacht mit sich bringt.

Eigentlich wollte ich in den Wald um Ruhe zu finden. Mich abseilen und mich festigen, die Irritation aus mir vertreiben. Anstatt dessen war ich nur noch irritierter zurückgekehrt. Sie hatte neben mir in der Höhle geschlafen und ab und an sah ich ihr dabei zu. Selten war mein Schlaf so unruhig wie in diesen wenigen Tagen gewesen, die Zeit verbrachte ich damit ihr zuzusehen oder auf die Jagd zu gehen. Wirklich erfolgreich war diese aber ebenfalls nicht gewesen, meist war ich zu langsam gewesen. Zu sehr in Gedanken. So dass ich meistens auf Aas zurückgriff, das ich den dortigen jungen Säblern abspenstig machte. Danach war ich oft in Lor’Danel, obwohl ich den Ort eigentlich mied. Ich besorgte ihr etwas zu Essen, Brot, Früchte, was auch immer. Und brachte es dann zur Höhle zurück. Stets war sie bereits wach gewesen und begann schließlich zu Essen. Ein Umstand, der mir erlaubte, sie sich etwas genauer anzusehen, als ich in der Stadt dazu Gelegenheit hatte. Das Licht brach sich auf ihrem Haar, ließ die silberweißen Strähnen sacht schimmern. Es faszinierte mich. Sehr sogar. Ich kann gar nicht sagen warum, zumal weißes oder silbernes Haar in meiner Umgebung wirklich oft vorkommt. Aber ihres ist… anders. Genauso wie sie. Irgendwie finde ich kein anderes Wort für sie und die Dinge, die sie tut. Oder die Dinge, die sie ist. Einfach anders als alle anderen. Jedenfalls hatten wir ein wenig Zeit verbracht. Wirklich nur wenig, ich versuchte wirklich viel Zeit allein zu verbringen. Doch was ich auch tat, eigentlich war ich sämtliche Zeit neugierig, was sie wohl gerade tat. In der Höhle oder am Wasser.

Nun waren wir wieder zurück in der Stadt. Ich hatte ihr gesagt, man hätte nach mir gefragt. Was gelogen war. Eigentlich hielt ich es nur für unsinnig im Wald zu bleiben und krampfhaft Ruhe zu suchen, wenn ich sie doch nicht fand. Aber es gab eben auch Dinge, die sie nicht wissen musste und so behielt ich es für mich. Die Ruhe aber kehrte nicht allzu bald ein. Wie gewöhnlich wartete ich am Pavillon, auf was auch immer. Wieder gesellte sie sich zu mir, wir verfielen in ein Gespräch. Doch lange blieben wir nicht ungestört, ein junger Kaldorei gesellte sich dazu. Er wirkte gehetzt und doch vorsichtig. Offenbar hatte er einige unschöne Erlebnisse in der letzten Zeit gemacht. Ich hatte ihn zwar schon öfter gesehen, auch mit ihm geredet, aber ich muss sagen, dass er nie groß mein Interesse geweckt hatte. Während ich ihm eine meiner Standpauken hielt und auf den Weg zurückbrachte, war die junge Schwester aufgestanden und ein Stück abseits gegangen. Ich dachte sie würde gehen, ohne ein Wort, und sah ihr nach. Der Satz, den der junge Elf mir entgegenbrachte, klingelt mir jetzt noch im Ohr. „Ich sehe Liebe in Euren Augen.“ Nein. Er musste sich irren. Liebe war es nicht, ganz gewiss. Wobei ich mir zugestehen muss, dass diese Form von Gefühl keine ist, die ich kenne. Was ich aber sagen kann ist, dass das Gefühl, was diese junge Schwester in mir verursacht, mir bereits bekannt ist. Es ist Faszination. Trotzt aller Irritation, aller Gedanken und Fragen, die sie in mir aufwirft, fasziniert sie mich. Sie war wieder zurückgekommen, hatte sich neben mich gestellt, wie sie es so oft tat. Viel war nicht mehr geschehen, bis der junge Elf ging und ich wieder mit ihr allein war. Doch da war mir bereits aufgefallen, was sich neu in meinen Verstand geschoben hatte: Ich war beruhigt. Sie war wiedergekommen, was mir mehr als jedes ihrer Worte bestätigte, dass sie meine Anwesenheit schätzte. Nicht auf die Art, wie es die Schüler oder andere Zirkelangehörige tun. Für jene war ich ein Druide mit viel Erfahrung, von dem man lernen konnte oder der einem Rat gab. Ich denke, sie schätzt etwas anderes an mir. Sie fragt nicht nach Rat oder Lehren. Sie fragt nach mir. Ein beruhigender Gedanke, der mir durchaus Sicherheit schenkt. Doch in dem Moment, in dem ich ihn das erste Mal fasste und sie so neben mir stand, war es neu für mich. Ungewohnt ist es noch immer. Ich verabschiedete mich und ging an jenen Ort, an dem ich jetzt sitze.

Hinter mir ertönt leises Flügelschlagen. Das wohl bekannte Krächzen meiner gefiederten Mutter ertönt, lässt mich in Ruhe weiter verharren. Heute sucht sie nicht das gedankliche Gespräch zu mir, wie sonst. Vielleicht denkt auch sie, ich würde meditieren. Eine Woge des Wohlfühlens kriecht in mir herauf, als ich ihr weiches Gefieder auf meiner Haut spüre. Das große Eulentier setzt sich langsam auf meinen Schoß und kuschelt sich an mich. Die beiden mögen sich, Mutter Uhu und… Leliane. Das ist ihr Name. Der Name, der mich irritiert, der Ursache für die Rastlosigkeit meiner Gedanken ist. Der Name, der mich an jenes Gefühl von Sicherheit erinnert, das ich noch nicht einzuschätzen weiß. Aber wer wäre ich, mich gegen das Lernen neuer Dinge zu wehren.