04.04.2011

 

Nachdenklich betrachtete der Elf seine Hände. Es war nicht leicht gewesen die Feuerwesen von der Späherin fern zu halten. Dass ihr Säbler ständig um ihn herum sprang und seinen Weg an den Gegner suchte, war schon fast normal geworden. Die Haut des Elfen war gerötet, an den Fingern hatten sich inzwischen Hitzeblasen gebildet. Der Säbler war definitiv geschickter darin sich der Hitzer der Elementare fren zu halten als er es war. Wobei er nicht dafür da war, dem Gegner auszuweichen, im Gegensatz zu dem Tier. Mit schmerzhaftem Murren griff er mit einer Hand nach seiner Wasserflasche goss sich die Hälfte des Restes über die andere Hand. Wohlig seufzte er, als der stechend kribbelnde Schmerz für einen moment nachließ. Das Gleiche wiederholter er noch einmal mit der anderen Hand. Wäre Zín hier gewesen, wären solche minimalen Verbrennungen kein Problem gewesen. Innerhalb weniger Moment wäre alles wieder geheilt gewesen.

Mit einem Knurren verschloss er die Feldflasche wieder, zog sich die Handschuhe über die schmerzenden Finger und erhob sich. Dem Schmerz dieser Bewegung folgend musste sein Körper mit Brandblasen übersäht sein und ein kühles Bad wäre wohl das Beste. Er nahm sich seine Feldflasche und setzte sich in Richtung des SChreins von Aessina in Bewegung. Ein Bad war Luxus, den er sich hier nicht gönnen durfte. Und auch nicht konnte. Eigentlich musster er der Späherin von seinen Schmerzen berichten. Aber so lange sie ihn nicht beeinflussten, sollte es gehen. Mitleid von ihr wollte er nicht, konnte er sich nicht leisen. Sie war eine starke Frau, war vermutlich die meiste Zeit ihres Lebens allein mit dem Säbler unterwegs gewesen. Man merkte es an ihrem Kampfstil. Sie zogen dieser Tage zusammen in die Schlacht, er sollte sich geehrt fühlen mit einer erfahrenen Kämpferin seinen Dienst hier zu vollziehen, egal ob sie die gleiche Meinung hatte oder nicht.

Bei dem Gastwirt ließ er seine Feldflasche auffüllen, bekam noch eine zweite dazu und wandte sich wieder ab. Manchmal nervte sie ihn, manchmal faszinierte sie ihn. Immerhin behandelte sie ihn mit dem nötigen Respekt, nicht so wie die meisten Vertreterinnen ihres Volkes. Und ironischerweise entgegnete er ihr ungewohnterweise mit dem gleichen Respekt. Für seine Maßstäbe natürlich. Murrend ließ er sich wieder auf seinem kargen Lager etwas abseits des Schreins nieder. Immerhin bekam er Respekt entgegen gebracht. Sie fragte nicht viel, ließ ihn erzählen, wenn er wollte. Das war gut. Der Rest seines Lebens momentan war düster genug. Hyjal brannte und in seiner Seele klaffte ein Loch. Aber er bekam Respekt für seine Arbeit. Das war wahrlich gut.


04.04.2011

 
Unendlich langsam streckte er sich. Sein Blick streifte umher, blieb für einen kurzen Moment auf der Decke neben sich liegen. Sachte hob und senkte sie sich unter dem Atmen des zierlichen Körpers darunter. Das kurze, weiße Haar schaute gerade so unter dem Stoff hervor. Leithian rieb sich über die Augen, setzte sich auf und sog die Luft ein. Der liebliche Geruch nach Blüten, einer kleinen Nuance süßer Frucht, machte sich in seinem Geist breit. Elune sollte diesen Moment niemals enden lassen. Ein zermürbtes Lächeln zeigte er, als er die Augen geschlossen ließ und eine Hand nach dem vermeintlichen Körper ausstreckte. Schmerz durchfuhr ihn, stach seine Brust. Er schluckte, biss die Zähne fest aufeinander. Seine Hand spürte keinen Körper und seine Augen, nachdem er sie aufschlug, nahmen nicht mehr wahr, was sie zuvor gesehen hatten. Seine Nase roch nicht mehr, was sie zuvor so sehnsüchtig in sich gesogen hatte.

Er rollte sich herum, streckte seiner Vision den Rücken entgegen. Erst nach vielen Minuten des einsamen Wimmerns empfing ihn der sehnsuchtsvoll erwartete Schlaf, ließ Erinnerung verblassen.

Das war es also jetzt. Nachdem er gefühlte Millionen Mal sich dem Tode entgegen geworfen hatte, sich gefühlte Millionen Mal in einem Lazarett wieder gefunden hatte wurde er einfach so „nach Hause“ geschickt. Mürrisch schnaufend sah Leithian vor sich ins Wasser. „Nach Hause“ hatten sie gesagt. Aber sie hatten diese Stadt gemeint. Jetzt war er wieder hier, unter Elfen. „Zuhause“. Was wussten sie schon von „zuhause“. Als ob er irgendwo wieder „zuhause“ sein würde. Er hob den Blick und sah zum Tempel. Bevor das Ritual los ging würde er sich neue Befehle holen müssen. Am Ritual selbst teilnehmen wollte er nicht, obwohl es ihm mehrfach in der letzten Woche ans Herz gelegt wurde. Aber was wussten sie schon. Was sollte er länger im Tempel weilen, als er musste? Was sollte er länger den Schmerz der Erinnerung auf sich nehmen, als er musste? Und dabei musste er es doch schon, seitdem er „nach Hause“ geschickt wurde. Abermals schnaufte er. Nichts war wie vorher. Nyneveh hatte er hier gelassen. Sie war stark, konnte auf sich aufpassen. Aber sie war nicht mehr hier. Also hatte er Zín gesucht. Seine Zín. Mit dem kurzen, weißen Haar, der dürren Figur, der ewigen Motzerei… Aber sie war nicht mehr. Fort gegangen war sie, nur noch des nachts konnte er nach oben starren und hoffen, dass sie einer der silbern leuchtenden Punkte neben Mutter Mond war. Also war er allein. Mit Freunden hatte er eh nicht viel am Hut. Mit Interaktionen noch weniger. Das war es jetzt also. „Zu Hause“. Er glaubte nicht im Ansatz daran, dass das, was er hier vorfand, wirklich ein Zuhause war. Er glaubte nicht im Ansatz daran, dass er hier richtig war. Man erwartete Gefühl von ihm. Erwartete, dass er offen über seinen Verlust trauerte. Aber was wussten sie schon. Nie würde er einfach so, irgendwem, irgendetwas zeigen. Wieder schnaufte er mürrisch. Er setzte sich in Bewegung, ließ die mit schwerer Platte geschützten Füße sich selbst einen Weg suchen. Was wussten sie schon von dem Gefühl in ihm drin. Was wussten sie schon von der Leere, die in seinem Geist wütete. Allenthalber sah er Elfen, die ihn grüßten, nickten. Manchmal strebten sogar welche zu ihm und suchten ein Gespräch. Was wussten sie schon. Viele kamen nicht damit klar, dass er die meiste Zeit schwieg und seine Antworten so knapp als möglich hielt. Noch weniger kamen mit seinem Tonfall klar. Die meisten meinten, er sei aggressiv. Er selbst hielt es nur für den Ausdruck, der da gerade in ihm herrschte. Leere. Gähnende Leere. Und der Wunsch danach, Zíns Stimme zu hören, mit ihr zu streiten und schließlich durch ihre Haare zu streichen. Die Sicherheit genießen, die jede Konversation mit ihr trug. Auch wenn sie ihn wieder in Grund und Boden schimpfte und mit boshaften Namen belegte. Auch wenn ihr manchmal die Hand ausrutschte, auch wenn er sich stets dafür revanchierte. Es war immer Sicherheit gewesen. Er wäre für sie jeden Abgrund hinunter gesprungen, jedem Drachen an die Kehle gegangen. Dass sie aber letzteres ohne sein Beisein tun musste… Na, es sah ihr ähnlich. Würde er ihr jetzt aus freien Stück zu Mutter Mond folgen, hätte er allerdings eine Tracht Prügel bekommen, die ihn direkt wieder herunter gestoßen hätte. Er blieb stehen, als er des Gasthauses gewahr wurde. Viele Stunden hatten sie hier verbracht. Gestritten, gesorgt, versöhnt, geküsst. Geliebt. Leithian schüttelte das mittlerweile provisorisch kurz geschnittene dunkle Haar. Das war vorbei. Innerlich drückte er den Kloß herunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte. Das war vorbei, Leithian. Eiligen Schrittes zog er weiter. Er presste die Kiefer zusammen. Bilder an vergangene Zweisamkeiten kamen in ihm auf. Erinnerungen an gemeinsame Kämpfe. Er war immer im Dienst des Tempels einer Priesterin unterstellt gewesen. Doch diese eine hatte ihn nicht nur durch ihre berufliche Bestimmung an sich gebunden. Diese eine hatte sein Herz an sich gekettet. Und es nun blutend zurück gelassen. Schnell war er aus der Stadt geflohen, ließ die Tore Teldrassils hinter sich. Erst, als er tief im Wald war, atmete er seufzend aus. Allein unter Elfen. Zum ersten Mal fühlte er sich wirklich fehl, fühlte sich wirklich beklemmt. Er sank auf die Knie, schlug die Hände vors Gesicht.

Ein Säbler schlich vorbei, besah sich den Elfen zwischen den Bäumen. Sein Rücken zuckte, ein Schluchzen schlich sich durch die Zweige. Mit leicht zuckenden Ohren vernahm er, wie kleinste Wassertropfen auf dem Waldboden aufkamen.