05.04.2011

 

Eilig zog sich die Elfe die weiße Robe wieder über den Körper, warf einen Blick über ihre Schulter. Orithil packte die Salbe wieder weg, saß noch immer auf dem Bett. Beide hatten nun eine ganze Weile geschwiegen, ihr Bruder war ohnehin nicht gerade gesprächig gewesen. Nachdenklich kaute sie auf der Unterlippe herum, verharrte noch eine Weile. Als er fertig war, hob er den Blick und sah sie an. „Mutter wäre stolz auf dich.“ Seine Stimme war leise, gebrochen. Anorien legte den Kopf schief, sah ihn fragend an. „Vielleicht.“ – „Du bist in ihre Fußstapfen getreten. Sie wäre stolz. Und Vater auch.“ Sie grübelte kurz, dann robbte sie auf dem Bett an ihn heran, schlang die Arme um seinen Oberkörper und drückte sich an seine Brust. „Bist du es denn?“ Er lächelte, zwar matt, aber ehrlich. „Natürlich Ano. Wie könnte ich nicht?“ Sie hob die Schultern, nuschelte ein „weiß nicht.“ an seine Brust. Seufzend erwiderte der weißhaarige Elf die Umarmung seiner Schwester, drückte sie für einen kurzen Moment ungewöhnlich fest an sich. Ein Seufzen war es auch, das sie ihm jetzt entgegenbrachte, als sie sich neben ihm aufsetzte, ein Bein vom Bett baumelnd, das andere angewinkelt vor sich abgelegt. „Was ist los? Hab ich was Falsches gemacht?“ Kurz irritiert blickte ihr der Elf entgegen, kratzte sich dann an der Wange. „Nein… Nein. Es ist nur… hum… ach je.“ Er schüttelte den Kopf. „Yshiel ist wieder da. Aber ich glaube nur kurz.“ Anorien nickte. „Das tut mir leid. Habt ihr denn ein wenig Zeit miteinander verbracht?“ – „Naja, sie war beim Teehaus. Und kurz danach noch hier. Aber… sie musste zum Tempel. Und ehrlich gesagt… hum…. Ich glaube nicht, dass ich es ausgehalten hätte mehr... hum… Zeit mit ihr zu verbringen.“ Die letzten Worte Orithils waren fast nur noch ein Flüstern gewesen. Anorien wusste, warum er sich so fühlte. Zum einen hatte sie es selbst kennen gelernt, wenn sich ein geliebtes Wesen nicht mehr blicken ließ und urplötzlch wieder da stand, zum anderen weil sie sein „Glück“ in solchen Dingen kannte. „Was hat sie dir erzählt?“ Geknickt sah er sie an, schwieg erst einmal. „Sie war beim Hyjal helfen. Und es tut ihr leid, dass sie keine Nachricht geschickt hat.“ – „Aber… das ist nichts schlechtes… erstmal. Hum?“ – „Nein, erstmal nicht… ach… du… hum… weißt du, es fühlt sich an wie… wie… hum…“ Doch weiter kam er nicht. Anorien verstand nur zu gut, was er ihr sagen wollte. Innig umarmte sie ihn, schlang die Beine um den anderen Körper und drückte sich an ihn. Viel zu oft hatte er es durchmachen müssen. Und jedes Mal hatte er auf diejenige gewartet und wurde letztlich immer im Stich gelassen. Einmal nur, das wünschte Anorien sich, sollte es noch geschehen, dass jemand es wirklich ernst mit ihm meinte. Genauso ernst, wie Mortisha es gemeint hatte, als sie den Bund mit ihm eingegangen war. „Anarya und ich werden immer bei dir sein, Orithil.“ Ein kurzes, trauriges Lächeln schob sich über sein Gesicht, ehe sie fortsetzte. „.. und Isilya auch. Ganz bestimmt.“ Energisch aufmunternd lächelte die kurzhaarige Elfe, stubbste ihrem Bruder die Nase. „Ja…. Ja, ich weiß. Und ich bin dankbar dafür. Hum…“ – „Krähenflugs bringt keiner auseinander.“ – „Ja… ich weiß. Aber weißt du…“ – „Weil wir eine Familie sind! Und zwar eine tolle.“ – „Hum… weißt du ich würde gern…“ – „Eine kleine! Aber eine tolle!“ Leise lachte Orithil auf, drückte sie fest an sich. „Ja. Eine kleine, tolle Familie. Du hast recht, was beschwere ich mich. Ich habe alles.“ Zufrieden nickten sich beide zu, zwinkerten, bis er ihr das kurze, weiße Haar wuschelte. „So, und nun erzähle. Was willst du tun, jetzt, wo du wieder siehst?“ Anorien zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich… spazieren gehen? Uh.. warte! Ich muss mir Bran GANZ genau angucken. Hab ich nämlich nicht getan, seitdem er wieder da ist. Und dann muss ich Bogenschießen üben. Und da hilfst du mir dabei. Und dann muss ich mit Seth noch üben. Hilfst du mir? Bitte Orithil, bitte hilf mir! Bitte, ja?“ Schmunzelnd nickte er. „Er soll also dein Kampfgefährte werden?“ – „Genau.“ – „Gut. Hum… wenn wir viel üben… zwei Wochen, bis du losziehen kannst und zwei Monate, bis wir fertig sind.“ Er nickte. Freudestrahlend lachte Anorien ihren Bruder an. „Versprochen!“