06.07.2011

 

Lächelnd schon erwartete sie ihn. Wie immer stand sie da, die schweren Körbe neben sich abgestellt und wartete. Eine große Kaldorei mit grünem Haar, nicht mager, aber dünn. Nichts besonderes, alles in allem: Kaum Rundungen, ein paar Falten, Narben am Körper. Insgesamt für ihn niemand, der einem wirklich auffallen würde. Dennoch hatte sie etwas, das ihn anzog: Das Lächeln.

„Na, unterwegs gewesen? Fast eine Stunde warte ich nun!“ – „Verzeih, Deliandrya. Ja, wir waren noch unterwegs. Ein paar der Welpen haben sich verlaufen. Was hast du mir heut schönes mitgebracht?“

Zwei Mal in der Woche besuchte Deliandrya Darnassus. Zwei Mal in der Woche stand sie neben dem Teehaus und bot dort ihre Waren an Orithil an. Auch heute wagte er einen neugierigen Blick in das Innere der Körbe.

„Ein paar Kirschen und Äpfel. Ich hab dir das Mehl besorgt und die Kräuter. Und ein paar Blumen vom Festland, ich dachte, die könnten Isilya gefallen.“


Sie lächelte ihn noch immer ungetrübt an. Manchmal glaubte er, eine Horde Orks könnte einfallen und sie würde ihm immer noch dieses Lächeln schenken.

„Das ist gut. Ich nehm zwei Körbe und dann tragen wir es rüber, ja?“

Als er ihr Lächeln erwiderte nickte sie. Beide nahmen die Körbe auf und machten sich auf den Weg zum äußeren Teil der Stadt.

Unterhalb des Hügels spang eine breite Wurzel hervor. Über diese Wurzel waren Ledertücher so gelegt worden, dass weder Wasser noch Wärme in den Teil darunter gelangen konnten. Orithil stellte die beiden Körbe ab. Der Eingang zu seinem kargen Lager war offen gelegt. Die Wärme des Tages, auch wenn es nicht viel war, kroch langsam in den Wald hinaus.

„Wann kommt Isilya wieder?“ – „Sie ist eben erst los. Es wird dauern.“

Deliandrya nickte, dann begannen sie beide die Waren auszupacken. Neben dem Lager hatte er eine Art kleiner Hütte gebaut, die ebenfalls mit Ledertüchern überzogen war und eine Unterkunft für eben jene Waren bot. Eine Weile brauchten sie die frischen Früchte und Kräuter hinein zu tun, alles so zu stapeln, dass nichts heraus ragte. Schließlich aber waren sie fertig damit und setzten sich in den Eingang des Lagers.

Deliandrya nahm sich einen Apfel aus ihrem Korb und biss herzhaft hinein, ehe sie diesen an den Elfen weiterreichte.

„Hier. Sie sind besonders süß dieses Jahr. Probier mal.“

Stumm nickte Orithil, nahm den Apfel, probierte und reichte ihn ihr wieder. Sie waren wirklich süß. Der Apfelkuchen davon musste hervorragend sein. Vielleicht würde er Saft daraus machen und diesen mit Tee mischen. Es gab ein, zwei Elfinnen, die das gern im Teehaus tranken. Deliandrya musterte ihn mit besorgter Miene von der Seite. Ja, er war heute erstaunlich ruhig gewesen. Ungewöhnlich für den jungen Mann. Aber sie wussten beide, was im Anschluss an diese kurze Unterhaltung passieren würde.

„Weißt du, manchmal denke ich, Elune schenkt uns so gute Sachen. Und dann ziehen Kriege über unsere Länder und machen das kaputt. Doch irgendwann wächst alles wieder und die Sachen sind wieder so gut, wenn nicht sogar besser, weil wir sie vermisst haben. Ich weiß ja, alles ist vergänglich, sogar wir, irgendwann. Aber ich glaube, Elune würde uns nicht so gutes Zeug schenken, wenn sie nicht wollte, dass wir uns daran erfreuen.“

Wieder kam ein stummes Nicken von ihm. Er hatte den Blick gen des Mondes gewandt, als sie erzählt hatte und wandte ihr nun den Kopf entgegen.

„Mutter Mond schenkt uns viele Dinge. Aber sie nimmt auch. Sie ist wie Wasser, das eigentlich stets nur versucht den besten Weg zu gehen. Aber sie ist auch gewaltig: Wasser vermag Stein abzutragen und den stärksten Mann mit sich zu reißen. Wasser schenkt Leben, Wasser ist erfrischend. Wasser kämpft nicht, aber Wasser bahnt sich allen Unebenheiten zum Trotz seinen Weg. Auch wenn es dafür manchmal Umwege in Kauf nehmen muss. Ja, Elune ist wie Wasser. Manchmal hoffe ich, es wären mehr Elfen wie Wasser. Aber die meisten sind mittlerweile heiß gekocht und brodeln und warten darauf, dass man Kräuter hinein tut und einen Tee damit kocht.“

Heute hatte er kein Ohr für ihre Weisheiten. Ja, sie hatte ja recht. Aber er hatte so viel über Elune debattiert in der letzten Zeit, über ihre Wege, ihre Taten, ihren Einfluss auf ihn selbst, so dass er dessen überdrüssig war. Ablenkend verlagerte er sein Gewicht, kam ihr so nahe und hauchte einen Kuss an ihren Hals. Deliandrya war niemand besonders für ihn. Und auch er war niemand besonderes für sie. Aber in Zeiten des Kummers brauchen auch zwei nicht besondere Elfen einander. Auch wenn sie danach wieder getrennte Wege gehen.

Zwei Mal in der Woche besuchte Deliandrya Darnassus. Zwei Mal in der Woche stand sie neben dem Teehaus und bot dort ihre Waren an Orithil an. Auch heute war sie wieder da gewesen. Und auch heute hatte sie ihm mehr mitgegeben, als nur ihre Waren.