24.03.2013

 

Mit einem leisen Seufzen stellte er den Becher neben sich auf der Brüstung ab. Man merkte dem Druiden Dunkelkralle seine Unerfahrenheit und schlechten Erfahrungen durchaus an. Ainyael hob das schlafende Kind in seinem Schoß langsam an und legte es sich an die Schulter. Was dachte er, würde an einem solchen Ausflug passieren? Kirschkuchen essen und Tee trinken? Bemüht langsam erhob er sich, brachte das Kind zu seinem Bett. Vorsichtig legte er es auf dem großen Kissen ab, strich über das violett gelockte Haar. Ein leises, ruhiges Aufseufzen entfleuchte dem Kind und ließ den Elfen schmunzeln. Sie konnten sich alle glücklich schätzen, immerhin waren sie heim gekehrt. Reyvarion selbst war totgeglaubt worden. Calyon und diese Schwester Motte ebenso. Aber letztlich waren, bis auf Sho, alle unversehrt und lediglich mitgenommen heim gekehrt. Eine Tatsache, die Ainyael erhofft, aber nicht für sich erwartet hatte. Seine Tochter nun in seinem Bett liegen zu haben war für ihn größeres Glück, als die kleine Gruppe sicher wieder in Darnassus zu wissen, egal wie selbstsüchtig das war. Liebevoll schmunzelnd ließ er sich auf der Bettkante nieder. Das Streichen des kleinen Kinderkopfes dauerte an.

Draußen vor dem Haus verlagerte der Elf das Gewicht vom linken auf das rechte Bein. Das Bild, dass dieses Rotauge ihm gefertigt hatte, kam nicht ansatzweise an die Realität heran, auch wenn es enorm gut gezeichnet war. Er hatte den Blinden auf Anhieb erkannt, aber es fing nicht ein, was er sah. Es hatte nicht einfangen können, welche Intensität das Licht, das sich auf seinem Haar widerspiegelte annahm. Es hatte nicht einfangen können, welche Ausstrahlung durch fröhliches Lachen und ernstem Thema ausgelöst wurde. Es hatte den Eindruck nicht einfangen können, der einen erhaschte, wenn man sah, wie liebevoll und zärtlich dieser Mann mit seinem Kind umzugehen vermochte. Ithedilyens Blick lag fest auf ihm, sein Fokus starr gerichtet auf die Handlung, die vor ihm lag. Kein Ton der Umgebung entging ihm, keine Regung. Und doch sah er nur diesen Mann, der das Mädchen behutsam seiner Kleidung entledigte und ihm das Nachthemd überzog. Ainyael erhob sich, legte das violett gelockte Mädchen vorsichtig in das Kinderbett. Ithedilyen beobachtete, wie er so eine Weile stand, die Hand auf des Kindes Brust gelegt und aufmerksam dessen Schlaf aufnehmend. Das schien seine Art zu sein, sie im Schlaf zu beobachten. Und es war Ithedilyens Art still zu stehen, zu beobachten. Er spürte, dass dieser Moment, intim wie er war, etwas war, das selten jemand zu Gesicht bekam. Und etwas, das selten jemand zu schätzen wusste. Geborgenheit und Frieden lagen in diesen simplen, kleinen Handlungen. Dinge, dir er vermisste und sich selbst intensiv wünschte.

Plötzlich brach die Szenerie ab. Ainyael wandte sich herum. Der blinde Blick, verborgen hinter der Augenbinde, fixierte Ithedilyen erstaunlich fest und treffsicher. Fast schon meinte er, dass er von ihm durchdrungen wurde, er regelrecht gelesen wurde. Der Blinde kam langsamen Schrittes auf ihn zu. "Ihr steht schon lange Zeit hier und seht zu. Was wollt Ihr, Bruder?" Die Stimme war hell und angenehm, dennoch ernst und fest im Ton. Das Mondlicht brach sich auf dem helltürkisen Haar des Mannes und zeigten nur zu deutlich, dass sen Auftrag aufreibend gewesen war. Matt glänzte es, zeigte deutlich die Strähnigkeit des Haares. Ein ähnliches Bild ergab sich auf der Haut Ainyaels. Auch sie war matt, ausgedörrt. Ein Zeichen einer anstrengenden Reise. So schwieg Ithedilyen eine Weile, suchte alle erdenklichen Informationen aus dem Auftritt seines Gegenübers zu lesen, bevor er ihm antwortete. Die Stimme wurde von dem hohen Kragen, der die untere Gesichtshälfte des Mannes verbarg, gedämpft. "Lediglich plaudern."

 

Ainyael hob beide Brauen an. Plaudern? Hatte er jetzt Lust dazu? Er hatte nun schon einige Stunden der Plauderei hinter sich und selbst als die Quasselstrippe, als die er galt, war es irgendwann genug. Er seufzte aus. "Kommt morgen zum Plaudern wieder. Wir sind heute erst heimgekehrt, ich bin müde und erschöpft." Beim Reden wandte er den Blick nach unten und schaffte es tatsächlich erschöpft auszusehen. Ithedilyen sah ihm nur zu gern zu. Ainyael konnte seine Emotion nicht wirklich verbergen. "Ich sehe es. Kann ich Euch behilflich sein?" Dem Mann machte es durchaus Spaß mit anzusehen, wie Ainyael irritiert eine Braue hob und ihn wiederum mit dem blinden Blick fixierte. "Ouhm... Ich.. naja, nicht wirklich. Verzeiht." Ein leises Lachen konnte er nicht unterdrücken. Aber dieses Lachen ließ Ainyaels irritierte Braue noch ein Stück höher wandern. Als der kleine Elf erneut sprach, faltete er, einer Priesterin gleich, die Hände vorm Körper, als wolle er sich an der blauen Robe festhalten. "Ich bin Euch doch nicht zu nahe getreten?" Das Lachen wurde just noch lauter. In der Zeit, die Ithedilyen brauchte, um sich zu fangen, wurde Ainyael durchaus sauer. Schließlich aber antwortete der Besucher. "Nein, nicht im geringsten." - "Ich scheine Euch zu amüsieren." Patzig war die Antwort und folgte schnell. Noch immer schmunzelte Ithedilyen. "Ich... ja, ein wenig. Ihr seid interessant. Die Gerüchte um Euch reichten, um mein Interesse zu wecken. Aber Euch zu sehen ist noch viel interessanter." Ithedilyens Stimme war wieder in die übliche Kühle abgerutscht, was den Blinden durchaus wieder irritierte. "Interessant, hm? Na, was soll's. Seht Euch satt. Aber heute nicht mehr, ich gehe zu Bett." Der Satz war definitiv, denn Ainyael wandte sich auf dem Absatz um und ging zu seinem Bett.

Verwundert wanderten beide Brauen Ithedilyens nach oben. Eine Antwort darauf unterließ er, dafür verblieb er einfach vor dem Zimmer des Hauptmanns. Er beobachtete ihn still beim Umkleiden, beim Hinlegen, beim Einschlafen. Er blieb auch dann an Ort und Stelle, als er tief und fest schlief. Mit der Zeit begann er sich zu wundern. Jeder andere Elf dieser Stadt hätte sich pikiert über sein stoisches Beobachten. Aber dieser dort schien es entweder nicht wahrzunehmen, was er nicht glaubte, oder es zu ignorieren. Doch daran zweifelte er. "Er ist es gewohnt...", nuschelte Ithedilyen leise in sich hinein. Ein Gedankengang, der seinen Magen verkrampfte.