Alltag aus anderer Sicht

1

 

Genervt bewegte er den Stift von einem Mundwinkel in den andern. Verfluchter Mist. Es wollte einfach nicht gelingen. Er stieß ein leises Murren aus, bevor er fluchte. Erstaunt blickten die anderen beiden auf. „Hey, ruhig, Brauner.“ Pfts, doch was wusste Dave schon? Er sandte dem blonden Mann einen Blick entgegen, der gut als Mordwerkzeug hätte herhalten können. Knurrend warf er die Maus des Computers ein kleines Stück weg, scheppernd kam das Plastikding auf der Tischplatte auf. Ein ruppiger Griff zu den Zigaretten folgte, der Computer wurde gesperrt und in Windeseile stapfte der dunkel gekleidete Mann aus dem Büro. Natürlich nicht ohne die Tür plautzen zu lassen. Fragend schauten sich Jenny und Dave an, zuckten mit den Schultern. „Was weiß ich, hat ihn wieder eine nicht ran gelassen.“ Jenny rollte mit den Augen, schüttelte den Kopf, bevor sie mit einem leisen „Männer!“ sich wieder in ihre Arbeit verabschiedete. Dave grinste dämlich, tat es ihr aber schließlich gleich.

 

Draußen angekommen fischte sich Manuel eine Zigarette aus der Schachtel. Der erste Versuch das Feuerzeug in Gang zu bringen, obwohl es ein Zippo war, schlug fehl. Regen platschte herunter, tröpfelte vom Dach und nässte den Mann innerhalb von Sekunden vollständig ein. Wie es eben so war, war Rauchen im Gebäude nicht gestattet. Was an manchen Tagen trotzdem nicht abschreckte. Vor allem nicht heute. Tief sog er die ersten Züge frischen Nikotins in sich hinein, verfluchte innerlich den Regen und die Tatsache, dass er bei dem eigentlich warmen Wetter nicht einmal an eine Jacke gedacht hatte. Zuerst der Kaffee, den er heute nicht bekommen hatte, dann diese dämliche Animation und jetzt noch Regen. Was sollte heute noch kommen? War diese Woche nicht schon genug gewesen? Der Einlauf vom Chef, seine Beziehung in die Brüche, der Auftritt der Band abgesagt. Und vor allem: Kein Kaffee! Wie sollte man das gescheit überleben können? Genervt blickte er auf seine Uhr. Wunderbar. Erst kurz nach zehn. Um zwölf erst konnte er heim. Aber sogar der Gedanke daran ließ in ihm heute keine Fröhlichkeit aufkommen. Gestern hatte er zwei Stunden lang mit dem Chef diskutieren müssen, dass es überhaupt ging. Und dabei war er nicht einmal uneinsichtig gewesen, schließlich hatte er den Arzttermin, der Anlass für seinen halben freien Tag war, nur vorgeschoben. Sicher würde er die drei Stunden nacharbeiten. Von ihm aus auch mit einer Nachtschicht. Warum der Chef sich derartig querstellte war ihm schleierhaft. Es stand nichts Großes an. Keine Aufträge, nur Kleinkram, alte Grafiken nacharbeiten und erneuern. Wirklich nichts, was nicht auch noch ein paar weitere Wochen oder Monate würde liegen bleiben können. Und selbst wenn nachher etwas anstünde, warum wusste er dann nichts davon? Die letzten Züge des Glimmstängels zog er tief in sich hinein, ehe er Luft holte und sich zur Ruhe zwang. Wie dem auch alles sei, er würde heut Nachmittag frei haben. Und das hieß, dass er sich mit Wodka und Chips aufs Sofa legen, sich vom Fernseher berieseln lassen würde, bis in den Abend hinein. Und dann ging es ohnehin nach draußen. Wenn ihm das alles hier keinen Spaß machte, abends hatte er ihn. So lang und so oft er wollte, dessen war sich Manuel sicher. Die Zigarette wurde fort geschnippt, durchnässt trat er den Rückweg in sein Büro an.

 


2

 

Plautzend ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen, in gleicher Lautstärke landete die Tasche auf dem Boden und die Schuhe daneben. Sollten sie ihn doch einfach alle am Arsch lecken. Wen juckte es überhaupt, was er wirklich zu tun hatte? Übellaunig ging er in die Küche zum Kühlschrank, holte sich seine lang ersehnte Wodka – Flasche heraus und legte sich nach einem kräftigen Schluck daraus erst einmal auf das Sofa. Es ging niemanden etwas an. Warum interessierte es überhaupt? Nachdem er Rauchen gewesen war, war er wieder ins Büro gegangen. Und wurde die letzten beiden Stunden von Jenny drangsaliert doch zu erzählen, was los war. Zusätzlich noch Dave mit seinen dümmlichen Sprüchen und Witzen. Und dabei hätte er nur seine Ruhe haben wollen. Die aber hatte er jetzt. Genervt zappte er das Fernsehprogramm rauf und runter, blieb bei keinem Sender länger als ein oder zwei Sekunden hängen. War doch alles Mist. Einfacher Scheiß. Ein anderer Begriff traf darauf ohnehin nicht zu. Knurrend warf er sich auf dem Sofa herum, legte sich auf die Seite und drückte sein Gesicht ins nächstbeste Kissen und blieb erst einmal reglos liegen. Das war Corinnas Kissen. Und wie so vieles in dieser Wohnung, roch auch dieses noch nach ihr. Oh, wie sehr wünschte er sie jetzt her. Sie hatte es immer geschafft ihn herunter zu bringen, wenn die Tage richtig mies gelaufen waren. Drei Jahre Beziehung lagen hinter ihm. Drei Jahre in denen er dachte gefunden zu haben, was er gesucht hatte. Aber Fehlanzeige. Als er letzte Woche nach einem Auftritt heimgekommen war, hatte er sie mit irgendeinem Kerl erwischt. Das, an und für sich, war kein Problem. Er wäre der Letzte gewesen, der deswegen etwas gesagt hätte, war er doch selbst kein unbeschriebenes Blatt in dieser Sache. Nur mit wem er sie da sah, das brachte das Fass zum überlaufen. Wäre es irgendjemand gewesen, irgendeiner, den er nicht kannte. Aber mit dem besten Kumpel, das musste ihr erst jemand nachmachen. Als er in die Wohnung gekommen war, hatte er zunächst nichts mitbekommen, sich aber über ein zusätzliches Paar Schuhe gewundert. Was, beim zweiten Nachdenken darüber, aber nicht verwunderlich war. Tom war des Öfteren schon bei Corinna gewesen, wenn er einen Auftritt gehabt hatte. Im Nachhinein wusste er nun auch warum. Doch bis dahin hatte Manuel über diese Tatsache nie nachgedacht. Immerhin hatten er und Tom seit dem Kindergarten ihre Freizeit miteinander verbracht. Jedenfalls war er danach auf die Suche nach den beiden gegangen. Vor der Schlafzimmertür, die nicht einmal ganz geschlossen war, kam ihm dann die glorreiche Erleuchtung. Nüchtern hatte sie sich in sein Hirn geschlichen und wo eigentlich gleich Enttäuschung und Wut hätte entstehen müssen, keimte erst einmal… nichts. Fassungslos hatte er am Türrahmen gestanden, das geschäftige Treiben von drinnen wahrgenommen, bis er sich ins Wohnzimmer auf das Sofa zurückgezogen hatte, seine Weinflasche genommen und den Fernseher eingeschalten hatte. Die Tat des Abends hieß dann: Weitertrinken. Was ihm noch an Alkohol für den perfekten Abschuss fehlte, konnte der Wein sicher reinbringen. Und wenn nicht der, im Kühlschrank war damals noch jede Menge gewesen. Auf dem Sofa liegend, nach einer Woche, noch einmal darüber nachzudenken, machte ihn traurig und wütend zugleich. Enttäuscht hatten ihn beide. Die Frau, die er eigentlich vorgehabt hatte bald nach dem einen Ding im Leben zu fragen. Und der Kerl, der sein Leben bisher begleitet hatte, dem er gedacht hatte alles anvertrauen zu können. Er hatte auch noch davon gewusst. Er hatte gewusst, dass Manuel hätte Corinna demnächst fragen wollen. Der Ring war ausgesucht, graviert, lag seit Wochen schon verborgen unter einem Stapel Socken in der Nachttischschublade. Es fehlte nur immer noch der richtige Zeitpunkt, der aber nun gar nicht eintreten würde. Besser so, als anders. Man überlege sich nur, was für eine Farce es gewesen wäre, hätte Corinna abgelehnt. Oder noch während aller Vorbereitungen oder gar länger hätte Tom nebenher laufen lassen. Ein ernsthaft beschissener Gedanke. Während im Hintergrund der Fernseher sinnloses Zeug daherbrabbelte, hing Manuel diesem Gedanken nach, drehte sich beständig um ihn herum, zerkaute ihn und würgte ihn wieder hoch, nur um ihn ein neues Mal herunter zu schlucken. Bis schließlich der Alkohol seine Wirkung tat und den Mann ins Land der Träume entriss.

 

„Ja, ne. Dem geht’s kacke. Also wehe ihr faselt mir da von neuen Liebschaften herum. Könnt ja kein Elefant ertragen!“ Laut polternd stoben die 4 Männer die Treppen hinauf, gefolgt von einem weiteren, schmaleren und kleinen Schatten, der sich geduckt im Hintergrund hielt. „Schon klar. Der hat heut frei genommen, übrigens.“ – „Dafür war er aber super gar nicht erreichbar. Hab den vier Mal aufm Handy angeklingelt. Und zwei Mal aufm Festnetz.“ – „Bist ja super besorgt. Machst seiner Mutter Konkurrenz, wa?“ – „Scherzkeks. Wenn de schon net an seinem Wohlergehen interessiert bist, dann aber bitte an dem der Band! Und die steht und fällt mit em. Also halt den Rand mit deinen Ach so klugen Sprüchen!“ Einer der Männer drückte auf die Klingel, es schellte, doch nichts geschah. Acht Augen sahen sich fragend an, dann holte einer von ihnen einen Schlüssel heraus, steckte ihn ins Schloss und verschaffte sich Eintritt nach drinnen. „Manu…?“ Die ersten vorsichtigen Schritte wurden in die Wohnung gewagt, doch nichts geschah. „Manu? Bist du da?“ Noch immer keine Reaktion, bis alle fünf Personen, sogar der letzte dünne Schatten, in der Wohnung standen und die Tür geschlossen wurde. Fragend blickten sich die Männer wieder an, einer nach den andern hob schließlich die Schultern. Ben war der erste, der sich weiter vorwagte, den Blick über die Couch schickte und auch, wie erwartet, sofort fündig wurde. Das Möbel stand mit dem Rücken zur Tür frei im Raum und war recht ausladend, sowohl breit als auch hoch und lang. Der Spitzname „Liegewiese“ traf durchaus darauf zu. Amüsiert gluckste Ben auf, piekste den Schlafenden mit dem Finger wie mit einem Zweig in die Rippen. Nichts geschah. „Och, Manu. Du bist doof. Komm, beweg dich mal!“ Wieder ein Stechen in dessen Rippen, diesmal fester. Knurrend und noch schlafend wischte der Mann die fremde Hand beiseite. Mittlerweile waren auch die andern drei Männer um das Sofa herumgegangen, schauten dem Schauspiel belustigt zu. Dexter war es, der nach der Wodkaflasche in Manuels Hand griff und daran roch. „Ouh… der pennt gut, Leute.“ Nase rümpfend drehte er den Kopf von der Flasche weg, stellte diese angeekelt auf dem Tisch ab. „Was der immer für Plörre trinkt… da würd sich mein alter Opa im Grab noch ekeln, wenn man dem des geben tät.“ Laut lachten die anderen 3 auf. Laut genug um den Schlafenden mit Knurren und Grollen aus seiner Traumwelt zu holen. „Eh, guckt ma da. Wer is’n das? Ja, wer is das da denn?“ Wieder landeten ein paar Piekser auf Manuel, diesmal mitten im Gesicht. Jippi. „Wenn ihr eure Datschen net gleich aus meinem Gesicht schwingt, hagelt’s. Und zwar so mächtig, dass ihr das noch net gesehn habt!“ Das waren dann die ersten Begrüßungsworte, die Manuel seinen Gästen entgegen warf, als er sich aufrichtete. „He, komm Alter, hab dich net so. Hast gut schlafen, wa?“ Ein mordlüsternder Blick schoss auf Ben zu, gefolgt von einem wortlosen Knurren. „Eh… komm is gut. Wir ham dir was zu Futtern mitgebracht.“ – „Habt ihr.“ – „Haben wir.“ – „Ihr seid Sauhunde.“ Ein Schmunzeln zeigte sich auf Manuels Gesicht, das von den vier Kerlen erwidert wurde.

Was vollzog sich da gerade? Noch immer stand Andre am Eingang der Wohnung herum, beobachtete die fünf dunkel gekleideten Kerle bei ihrem zweifelhaften Tun. Gut, ok. Sie kannten sich, waren Freunde. Aber… musste man dann derart laut dabei werden? Irritiert blickte er seinen größeren Bruder an. Ben, der sonst aus der Masse stach, war hier von vier, fast gleich aussehenden, Männern umgeben. Allesamt groß, dunkelhaarig. Offensichtlich tätowiert, mit einer Vorliebe für dunkle Kleidung. Wobei der, der eben noch geschlafen hatte, wohl eher recht normale Kleidung trug, nicht so wie Ben, der am liebsten im langen Ledermantel durch die Stadt ging. Eine Weste mit Lederhose, ein Achselshirt war noch zu finden. Und ein langes Hemd mit Trompetenärmeln und Stoffhose. Seltsamer konnten die Geschmäcker nicht sein, weiter auseinander liegen wohl auch nicht. Das waren sie also. „Dust bin“, eine der derzeit begehrsteten Bands der Stadt. „Mülltonne“ übersetzt. Hoffentlich eine sarkastische Benamung. Gut, man konnte, wenn man wollte, allein aus der Kleidungswahl der Band einen durchaus treffenden Zusammenhang zur Benamung erkennen, wenn man bösartig war. Normal jedenfalls waren die fünf Typen da vorn nicht. So viel war klar. Sie lachten und scherzten, ließen Andre einfach am Eingang stehen. Was diesem so gar nicht widerstrebte, war er doch ohnehin immer lieber der, der beobachtete. Doch plötzlich stand er im Mittelpunkt. „Ach, eh ich es vergess… ich hab Andre mal mitgebracht. Der wird langsam flügge, höhö.“ Und spontan zeigte Bens Finger auf ihn, führte die Blicke der anderen vier Männer auf ihn. Jetzt sah er auch das erste Mal Manuels Gesicht: Fein geschnitten, androgyn. Die langen, dunklen Haare zum Zopf gebunden, würden sie wohl normalerweise nicht in sein Gesicht fallen. Nun aber hatte er geschlafen und es hatten sich einige Haare und Strähnen aus dem Zopf gewunden. Der Blick des Mannes lag fragend auf Andre, wurde kühl erwidert. Was auch immer Ben mit „er wird flügge“ meinte, er wollte nichts, rein gar nichts damit zu tun haben. Und das auch die anderen wissen lassen. Während drei der vier Augenpaare sich schon wieder zu der Wodkaflasche umwandten und dort ihre Witzchen los ließen, legte Manuel den Arm über die Sofalehne, musterte den Jungen an der Tür kritisch. Ein unangenehmes Gefühl stieg in Andre auf, er wollte, dass der Mann damit aufhörte. Vielleicht mit einem noch kühleren Blick und eisigem Schweigen. So ganz aber traf seine Hoffnung nicht ein. Ungerührt wurde er weiter gemustert, als würde man seine Gedanken lesen wollen. Doch dann, als sei gar nichts geschehen, drehte Manuel sich um, stimmte in die Witzchen der anderen mit ein und ließ Andre an der Tür stehen.

 


3

Das nervtötende Piepen des Weckers schob sich wie ein Paukenschlag in seine Träume, ließ Manuel zusammenfahren und müde grunzend aufwachen. Noch fahrig vom Schlaf beendete er den Alarm, rollte sich schließlich auf den Rücken und starrte die Decke an. Heergottnocheins, was war passiert? Die Jungs hatten ihn geweckt, vom Sofa geholt. Und waren dann mit ihm in die nächst beste Bar gegangen. Dort hatte er seinen Wodka gegen eine im Laufe des Abends wachsende Ansammlung von Schnaps und Cocktails getauscht, hatte Bier sich dazu gesellen lassen und eine Zigarette nach der anderen gequalmt. Spaßeshalber war er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgegangen und hatte sich an eine Frau nach der anderen geschmissen, ohne wirkliche Absicht dahinter. Doch irgendwie machte sich Irritation in ihm breit. Das war nicht alles gewesen. Egal woran er sich erinnerte, diese blaugrauen Augen des Jungen, der später als Bens Bruder Andre vorgestellt wurde, waren überall dabei gewesen, hatten sich stets in Manuels Richtung gewandt. Dieser Junge war ständig derart präsent gewesen, es war schon fast unheimlich. Nach dem ersten Ansehen, als er in seiner Tür gestanden hatte, dachte Manuel noch der Junge wäre einfach nur kleiner Mitläufer. Klein, unbedeutend, ein Spielball für Erfahrenere, von denen er lernen wollte. Aber er hatte sich als ausgesprochen selbstbewusst und zielstrebig erwiesen. Er hatte kein einziges alkoholisches Getränk genommen, jedes Anbieten davon abgewehrt. Er hatte den Gesprächen gelauscht, aber nur selten teilgenommen. Und stets war es mit spitzer Zunge, Sarkasmus, Trockenheit oder schwarzem Humor gewesen. Kein Lächeln, kein Grinsen, nicht einmal ein kurzes Funkeln in den Augen. Genauso gut hätte man eine Eis – Statue dort hinstellen können, die wäre vermutlich noch wärmer und angenehmer gewesen. Erneut fing der Wecker an zu sein nervtötendes Piepsen in den Raum zu schicken. „Ja ja…“ Murrend beendete Manuel den Signalton und erhob sich aus dem Bett.

„Wouh, der Arzt muss dich ja gründlich abgesucht haben!“ Das dumme Grinsen Daves war heute wieder einmal bezaubernd und musste mit einem tötenden Blick erwidert werden. Irgendwann, wenn der Kerl ihm mal nachts und in einer unbelebten Nebenstraße begegnete, würde er ihm das Grinsen am Schädel festtackern. „Sei nicht so. Manu hat bestimmt was Schlimmes. Also zumindest bei einer Kleinigkeit kommt man so gerädert nicht vom Arzt zurück!“ Jenny war auch nicht besser. Aber immerhin eine Frau und damit, wenn man sich das auch nur ganz, ganz ungern vorstellte, für eine Nacht zu gebrauchen, wenn man gar keinen Ausweg mehr wusste. Wobei… naja. Sie war das typische Hausmütterchen. Beleibt, stets einen Zopf, der die Haare zurück band, Fältchen und irgendwie… dümmlich. „Ja, Manu hat bestimmt etwas Schlimmes.“ Wiederholte er. Was ganz Schlimmes. Einen Kater, und zwar einen mächtigen. Jenny setzte ihr mütterliches Lächeln auf, schrägte den Kopf. „Soll ich dir einen Tee machen?“ – „Pfts, und mich fragst auch beim schlimmsten Husten nich danach!“ – „Dir geht’s ja auch immer zu gut.“ So viel zu Manuels Wünschen. Natürlich bekam er jetzt einen Tee. Mit schön viel Zucker, Pfefferminztee. Uch, es gab besseres. Viel besseres, gerade nach einer durchzechten Nacht wie dieser. Ein Bier wäre was angebrachtes, aber natürlich nicht während der Arbeit tragbar. Seufzend ließ er sich an seinen Platz nieder, Daves Grinsen direkt vor sich. Was auch immer es zu gucken gab, heute war es besonders viel und lang. Und somit einen neuen tötenden Blick würdig, der sein Ziel traf und Dave wieder in seinen Monitor schauen ließ. Dankend nahm Manuel den Tee entgegen, schenkte Jenny ein Lächeln. Ja, sie war eine Frau, vollkommen egal wie sie aussah und sich gab. Und damit immer dafür prädestiniert ein Lächeln zu bekommen, egal wie müde und murrig er war. Sie setzte sich auf ihren Platz. „Sag mal, Manu, du weißt aber, dass da heute Besucher kommen?“ Überrascht unterbrach er das Nippen an seinem warmen Tee. „Was?“ – „Ja ja… heute kommen ein paar Kinder aus einer Schule. Und die wollen sich ansehen, was wir machen. Also mit den Grafiken und Bildern.“ Beruhigt setzte Manuel wieder mit dem Teeschlürfen ein. „Grafiken… Bilder… ich animiere. Die gucken mir zwei Sekunden über die Schulter und dampfen ab.“ – „Ja… nein… nicht unbedingt! Die wollen alles sehen. Und die sind aus der Oberstufe. Ich glaube, mit ein bisschen „So tu ich Farbe rein und so wieder raus“ kannst du sie nicht abspeisen.“ – „Ouh…“