06.09.2012

 

Ich weiß nicht wie und vorallem nicht warum. Manchmal ist es eben einfach so. Stumm stiere ich die Decke an. Ich kann sehen, ich kann fühlen, ich liebe und ich lebe ... und dennoch fühle ich mich völlig falsch. Manchmal ist es eben einfach so. Die Decke zählt 53 Holzbalken, zumindest in dem Ausschnitt, den ich sehen kann. Mal wieder ist es passiert, an dem Punkt, an dem eigentlich alles in Ordnung gewesen wäre. Aber jetzt liege ich hier, kann mich nicht bewegen und zähle mit beklemmendem Gefühl Holzbalken. Manchmal ist es eben einfach so.

Die Holzbalken sind aus hellem Holz. Ob der Troll, der mich in die Falle führte, überhaupt daran gedacht hatte, dass ich hätte überleben können? 53 mal helle Holzbalken. Aus dem kleinen Zwischenspalt zwischen zweien kriecht ein rotgetupfter, gelber Käfer heraus. Er breitet die Flügelchen aus, surrt und fliegt fort. Ich möchte auch fort. Ich wollte aus dieser Falle fort. Das bin ich nun. Aber nun bin ich hier gefangen. Gefangen von den Schmerzen dieser Wunden, gefangen von Thanris' warnenden Worten. Ein Bett als Gefängnis. Zwischen zwei dieser 53 hellen Holzbalken ist ein kleines Loch, aus dem ein Käfer krabbeln konnte. Er hat sicherlich dort die Nacht über geschützt geschlafen.

Mein rechter Fuß juckt. Ich traue mich nicht einmal ihn zu bewegen. Mein rechter Oberschenkel ist durchbohrt, zwar genäht, aber kaum ein Muskel ist mehr am anderen. Es wird Jahre dauern, bis ich wieder so sein werde wie vorher. Wenn überhaupt. Schlimmer noch ist es, wenn ich mich Aufsetzen will. Die Schulter ist völlig hinüber. Ich denke, sie werde ich nie wieder richtig benutzen können. Ob der Käfer traurig wäre, wenn er wüsste, dass er sich nie wieder in die Lüfte heben könnte?

Ich höre Thanris' Brummen von unten. Er ist viel und oft hier, aber das macht es nicht besser. Ich liebe ihn, ich brauche ihn. Aber momentan nimmt er lediglich die Rolle des Gefängniswärters ein. Seine Schritte kommen den Aufgang herauf, Zeit, die Augen zu schließen und schlafend zu tun. Er hat sicherlich wieder diesen Tee dabei, den mir auch schon das Menschenmädchen gab. Ich will sie alle nicht haben, ich will diesen Tee nicht haben. Ich will das hier nicht mehr haben.

Die Augen geschlossen warte ich und stelle mir 53 helle Holzbalken über mir vor, bei denen zwischen zweien ein kleines Loch ist, aus dem ein rotgetupfter, gelber Käfer kriechen kann. Ich spüre sein Gewicht auf dem Bett, als es nachgibt, rieche seine süßlich herbe Note. Aber ich will das nicht. Ich stelle mir vor, wie der Käfer fliegt, wo er hinfliegt, was er sieht. Er fliegt über das Meer, das heute ruhig ist. In meinem Tagtraum gestern war es sehr aufgeregt, fast schon stürmisch und der Käfer hatte seine Probleme damit. Aber heute fliegt er ruhig, ich sehe das Portal zur Stadt näher kommen. Der Käfer fliegt hindurch, fliegt gleich zur Enklave, zu den Katakomben, an den Wächterinnen vorbei. Schließlich 'sehe' ich Larila. Ich habe sie noch nie gesehen. Ich weiß nur, wie sie riecht und sich anfühlt.

Larila ist schwanger. Von mir. Ich werde bei ihr bleiben müssen, auch wenn das Kind auf der Welt ist. Sie sagt, bis jetzt gäbe es keine Komplikationen und der Druide, zu dem sie stets geht, sei guter Dinge, dass es so bliebe. Allerdings, das sagte sie mir, hat er gesagt, dass das Kind wohl eher magisches Potenzial in sich trug. Sie hat mir erklärt, dass sie es sich nicht erklären kann, weil in ihrem Stammbaum ständig nur Kämpfer waren. Ich werde ihr nicht sagen, was ich zur Hälfte bin. Sie wird es wissen oder sich denken können.

Stunden vergehen, in denen ich reglos und stumm, scheinbar schlafend, liege und Thanris neben mir sitzt. Er ist sehr geduldig und ruhig. Er kümmert sich und ist fürsorglich. Er ist zärtlich und liebevoll. Aber das will ich nicht. Ich will hier raus. Ich will fort. Ich will frei sein.