13.12.2010


Nachdenklich schaute er dem Elfen nach. Faleths grünes Haar wehte leicht im Morgenwind. Sorgen machte er sich also. Sorgen um einen alten Kauz wie ihn. Das war nicht unbedingt gut. Seufzend blickte er der agilen, jungen Sturmkrähe nach, die sich in den Himmel erhob. Ein großartiger Druide war Faleth geworden. Auch, wenn er selbst wirklich nur den kleinsten Teil dazu beigetragen hatte, war er doch mit Stolz darüber erfüllt. Immerhin, wenigstens ein kleiner Teil, den er dem jungen Elfen damals mitgeben konnte, schwang auch heute noch in Faleths Auftreten wider. Murrend kuschelte er sich in seinem Blätterbett zusammen. Kühl war es, aber noch wurden die Tage etwas wärmer, als die Nächte es waren. Sein Blick schweifte in seiner Baumhöhle umher. Eingehend musterte er die Schnitzereien, die neu angebracht waren. Lange fing das Windspiel seine Aufmerksamkeit. Jedes Mal, wenn ein kleiner Windstoß aufkam, gab es leise, wohlklingende Töne von sich. So war das jetzt also. Calyon Bärenflanke hatte also ein Heim. Und dazu noch ein halbwegs eingerichtetes. Zwar war noch immer kein Platz für Larelions Räucherschale, aber wer weiß, auf was für Ideen Faleth mit diesem Baum noch kommen würde. Platz gab es noch jede Menge und so, wie er den jungen Druiden kannte, würde der es sich nicht nehmen lassen diesen auch noch auszufüllen.

Calyon gähnte und zeigte seine überlangen Fangzähne. Vier Tage waren es gewesen, die er nun in Hyjal verbracht hatte. Vier gute Tage, mit viel Neuem und viel Aufregung. Er hoffte inständig, dass Larelion etwas lernen konnte und ein wenig Sicherheit gewonnen hatte. Immerhin war er, bis auf die kleine Brandblase und die Prellung, nicht verletzt worden. Im Gegensatz zu Calyon selbst, der nach wie vor sehnsüchtig in Gedanken um Nordrassil streifte. Er erinnerte sich nur langsam wieder an alles. Die Wurzeln des Baumes, die Äste, das sachte Blattwerk. Als er so zwischen Traum und Wirklichkeit dahindämmerte, vermischten sich Erinnerungen zu sanften Traumbildern. Mutter Uhu kreiste um Nordrassil, während er Winarwin in den Ästen des Baumes hinterher sprang. Wie immer war der junge Elf in seiner Säblerform dem alten, breiten Säbler dahinter im Vorteil. Als Calyon zum nächsten Sprung hinter seinem geliebten Schüler nachsetzte, verfehlte er den Ast und fiel herunter. Vor sich sah er Faleth in Krähengestalt, flatternd und versuchend sich aus seinen Fängen zu winden, die sich hilfesuchend in die seinen gefangen hatten. Doch weder Calyon, noch Faleth gelang die Befreiung und so fielen beide auf eine der riesigen Wurzeln des Baumes. Der Aufprall war hart und als er aufblickte, sah Calyon sein neustes Ziehkind vor sich stehen. Fröhlich lachend bot ihm Larelion die Hand an, versuchte den erheblich viel größeren Elfen aufzurichten. Irritiert blickte Calyon sich um, während er in Honig getunktes Brot angereicht bekam. Gerade, als er danach greifen wollte, flog ein Vogel über ihn hinweg. Calyon verharrte und folgte dem Tier mit dem Blick. Es war Faleth, der sich aufmachte neue Wege zu beschreiten.

Er musste Niesen. Oh weh, dachte er sich, du wirst dich doch nicht erkältet haben… Nicht jetzt vor dem Winterschlaf! Blinzelnd schlug er die Augen auf. Glücklicherweise fiel die Sonne gerade so in sein Versteck, dass sie an ihm vorbei eine der Schnitzereien anstrahlte. Calyon musterte seine Umgebung und entdeckte ein quer liegendes Blatt in seinem Bett. Das jedenfalls musste der Ursprung seines Niesers gewesen sein. Murrend strich er darüber und schob es in den Haufen Blattwerk hinein. Faleth machte sich also auf neue Wege zu beschreiten. Ein Gedanke, der Calyon tief beunruhigte. Gerade jetzt, wo er sich wieder daran gewöhnt hatte, den Elfen um sich herum zu haben. Aber gut, es war nur ein Traum, vielleicht geschah letztlich auch alles anders. Nur wenn nicht… Er schüttelte vehement den Kopf. Ein paar ausgedörrte Blätter fielen langsam aus seinem Haar herunter und gesellten sich zu dem Blattwerk, das ihm als Bett diente. Solche Gedanken waren unsinnig. Und selbst wenn Faleth irgendwohin gehen sollte, würde er ihn wieder treffen. Genauso wie er ihn hier wieder getroffen hatte, nach Jahrhunderten ohne Kontakt. Oftmals hatte er in dieser Zeit an ihn gedacht. Oftmals hatte er sich gesorgt. Oftmals hatte sein Herz Schmerzen deswegen gelitten. Doch es war fast alles in Ordnung gewesen. Faleth war seinen Weg gegangen und hatte letztlich auch sich entschuldigt, sich nicht gemeldet zu haben. Da überlebte mal einer seiner Schüler und dann meldete jener sich nicht. Naja, vielleicht das Los von anhänglichen alten Bären. Vielleicht sollten alte Bären auch gar nicht mehr so anhänglich sein. Der Jugend stand die Welt offen, er diente nur noch als Wissender, der seine Lehren weitergeben musste. Und das würde er tun. Gleich heute Abend würde Larelion sich wieder anhören dürfen, wie wichtig das Gleichgewicht war. Und wie sehr es Vorraussetzung dafür ist, dass man hinbekommt, was man sich vornimmt, sei es ein Zauber oder das Wiederaufwachen nach dem Winterschlaf.