05.12.2011
 
Gähnend ließ ich mich an dem Absatz nieder und die Beine baumeln. Drei Stunden nun war es her, dass wir heimgekehrt waren. Thanris und ich. Oh Thanris, wo steckst du nur... Drei Stunden! Direkt nach der Ankunft war er fortgeeilt, "etwas erledigen". Wie so oft. War ich ihm so sehr ein Dorn im Auge? Drei Stunden...

Aufmerksam lauschte ich der Nacht um mich herum. Da es Winter geworden war, war es nachts mittlerweile um einiges stiller geworden. Mal abgesehen von den typischen Geräuschen der Stadt: Plappernde Elfen, Säbler, Eulen und was weiß ich nicht noch alles. Ich verschränkte die Arme im Nacken und ließ mich nach hinten umfallen. Rückblickend betrachtet fand ich es noch immer gut, dass Thanris mich seiner Mutter vorgestellt hatte. Nun war auch bei mir angekommen, warum er sich nicht gerade nach Kontakt dahin sehnte. Dennoch war es zwiespältig. Einerseits freute ich mich, hatte er mich doch direkt als seinen Gefährten vorgestellt. Und das sogar unter seinem Namen, nachdem er nun wusste, wieviel mir das bedeutete. Andererseits hatte seine Mutter von einer Zusammenkunft zwischen ihm und dieser Sira gesprochen. Kein Zweifel, ich würde Thanris mein Leben anvertrauen. Aber noch pflegte er, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, auch gerne mal die Unwahrheit zu sagen. Eine schwere Prüfung für mich. Zumal ich den Gedanken nichtmal abwegig fand. So oft schon plagten mich wegen Sira und meinem Guten Zweifel. Sowas verhalf nicht gerade sie zu beseitigen. Wie weit oben saß ich eigentlich?

Ich rappelte mich auf und legte die Hände um die Hauskante. Wirklich drauf geachtet, wo ich hingegangen war, hatte ich nicht. Wie hoch waren die Häuser hier? 10... 20 Meter? Mit ein bisschen Körperbeherrschung könnte ich unverletzt auf dem Boden landen. Pfeifen zum Ausloten der Entfernung war schwachsinnig, das war das Händlerviertel. Hier plapperte es an allen Ecken und Enden. Und gerade unter mir meinten sich zwei Frauen zu streiten. Typisch. Etwas Schwung täte vermutlich nicht schlecht, sollte die Ebene hier drunter vorstehend sein. Ouh.... wenn Thanris das mitbekommen hätte, wäre er stocksauer geworden. Aber... drei Stunden. Vermutlich kam er eh erst wieder, wenn ich schlief. Und ging, noch ehe ich wach war wieder fort. Also, wen interessierte es?

Zwei, drei Schwüngemit den Beinen, dann drückte ich mich mit aller Kraft von der Plattform des Hauses fort. Ich spürte den Luftzug im Haar und an den Ohren, roch die Stadt. Für einen Moment fühlte ich mich völlig frei. Frei von Thanris, frei von Kath, frei von allen Verpflichtungen. Die Luft riss an meinem Hend, kroch darunter, ließ es flattern. Leider nur für eine, zwei Sekunden lang.

Noch bevor ich mich zum Aufprall einrollen konnte, spürte ich plötzlichen Schmerz in den Beinen. Es wirbelte mich herum, ich war verwirrt. Nur einen Augenblick später prallte ich im Gras auf. Glücklicherweise auf nichts weiter als halbwegs weichem Gras und Laub, auf dem Rücken und, den Reflexen sei gedankt, konnte ich meinen Schädel vor einem unliebsamen Zusammenprall mit dem Boden der Tatsachen bewahren. Ich stieß mit einem Stoß den letzten Rest Luft aus. Schmerz zuckte durch sämtliche Glieder und ich glaube für einen kurzen Moment verlor ich das Bewusstsein. Bei Elune, da musste noch ein Haus im Weg gewesen sein. Oder ein Baum, Schild, irgendwas. Einige Atemzüge lang blieb ich liegen, lauschte. Diese Stadt war wirklich dumm. Keiner, wirklich niemand hatte wohl den Sturz bemerkt. Man überlege sich nur, was geschehen wäre, wenn ich nicht solches Glück gehabt hätte? Vermutlich würde ich hier halbtot noch eine Ewigkeit rumliegen.

Naja, was solls. Ich nahm alle Kraft zusammen und stand auf. Wieder durchzog mich Schmerz. Zuerst die Beine, dann den Körper, die Arme, den Nacken. Gebrochen war nichts, vermutlich hatte ich nur mal wieder jede Menge blaue Flecken. Und Zerrungen, wie ich die hasste! Bei dem Gedanken daran schüttelte ich den Kopf. Letztlich war es doch egal, was mir wieder weh tat. Hauptsache, ich konnte weiter machen, wie bisher.

So ging ich weiter, verdrängte Schmerz und ging, als wäre nichts geschehen. Stolpern tat ich ja ohnehin ständig. Da ich Thanris wieder eine Weile nicht sehen würde, würde er davon auch nichts mitbekommen. Wen also interessierte es? Mich nicht. Und auch nicht den jungen Elfen, der mich ungefähr auf Höhe des Tempels ansprach. Viel,sagte er nicht, gab mir ein Päckchen und ging wieder. Wie immer dieselbe Leier. Schnell verstaute ich das Päckchen im Hemdärmel. Wie immer hatte keiner etwas von dieser kleinen Zusammenkunft mitbekommen. Und wie immer würde auch niemand erfahren, was im Paket war. Mich natürlich ausgenommen.