04.02.2012

 

Kalt war es, als ich es realisierte. Wo war ich? Hatte ich nicht eben noch an Thanris' Körper gelehnt und geweint? Ich hatte geweint, weil es weh tat. An alles zu denken, was passieren könnte. Früher war das einfach gewesen, im wirklich schlimmsten Fall wäre Kath'ranis gekommen, sauer geworden und hätte mich verprügelt. Oder dergleichen. Aber... er war nicht mehr. Die größte Sicherheit und Unsicherheit meines Lebens, war nicht mehr. Womit konnte ich jetzt noch rechnen? Thanris gab sich sehr, sehr viel Mühe damit mir diese Sicherheit zu geben. Ich glaube ihm, wenn er sagt, dass er niemals gehen will. Aber er ist selbst jemand, der viel Freiraum benötigt. Kann ich ihm den geben, wenn er meine volle Sicherheit wird? Ich glaube nicht.

Aber wenn ich weiter zweifle, werde ich ihn dann nicht verlieren? Ist es nicht gerade dieser Zweifel, der mich von ihm trägt? Die Kälte beginnt mich zu umschlingen, mir in die Knochen zu kriechen. Ich will ihn nicht verlieren, das steht fest. Aber was soll ich tun? Kurz wird mir warm, ich spüre seine kräftigen Arme, die mich immer so sicher halten. Diese Arme sind das Einzige, dass mich zusammenhält, mich vor der Kälte bewahrt, die mich einzuholen droht.

Langsam setze ich mich in Bewegung, nachdem seine Arme mich wieder entließen. Es ist nicht mehr ganz so kalt, dennoch möchte ich hier weg. Aber der Weg, egal wo ich hintrete, ist von vielen kleinen Steinen übersät. Diese vielen kleinen Steine besitzen viele Kanten, sehr viele davon sind sehr scharf. Ich gehe immer sehr vorsichtig, wenn ich hier bin, doch meistens bleibe ich irgendwann frustriert stehen. Es tut einfach so unsagbar weh. Der Schmerz wird hart und schwer, bis ich nichts anderes mehr fühle als ihn. Er überrollt mich, lähmt mich, nimmt mir alles weg.

Auch diesmal schaffe ich es nicht allzu weit. Ich merke, wie es warm aus meinen Füßen tritt, die scharfkantigen Steine unter mir benässt. Es ist, als ob jeder Wille aus mir herausrieselt. Was meine Eltern dazu sagen würden? Bis vor Kurzem wusste ich nicht mal, dass ich welche habe. Sind sie sauer deswegen? Verachten sie mich dafür? Hätte ich früher von ihnen erfahren müssen? Sollte ich zu ihnen gehen? Wollen sie mich überhaupt sehen? Immerhin waren sie es, die mich als Waise haben aufwachsen lassen, sich nicht um mich gekümmert haben. Warum sollten sie mich jetzt sehen wollen? Was war jetzt anders, als es damals war? Außer der Tatsache, dass ich erwachsen war?

Ich versuchte mich zu setzen, stützte mich dafür erst mal mit der Hand auf den Steinen ab. Wieder zerschnitten die Kanten meine Haut, entließen die warme Flüssigkeit in die Welt. Als ich mich gänzlich gesetzt hatte, war es, als säße man auf einem Nagelkissen, dass sich tief ins Fleisch schneidet. Dennoch, welche Wahl hatte ich denn, außer sitzen zu bleiben? Wintertanz und Thanris, beide hatten gesagt, dass es nichts an mir ändern würde, was ich jetzt bin. Aber stimmte das? Quel'Dorei waren und sind immer noch verhasst bei uns. Bei den Kaldorei, uns war keine Alternative mehr für mich. Ich war kein Kaldorei mehr! Zur Hälfte bin ich nun Hochelf, ein Mischling, ein Bastard. Man würde mich verachten im Volk, wenn es ans Tageslicht käme. Irgendwann kommt alles ans Licht, auch das wird es wohl tun. Was werde ich dann tun?

Ich spüre, wie mich wieder Arme umschlingen. Leise höre ich das wohl bekannte, traurige Kinderlied, dass Thanris mir immer vorsummt, wenn es mir schlecht geht. Ein leichtes Wiegen erfüllt mich. So ist es immer, wenn er mich tröstet. Ich spüre seine Liebe, fühle mich völlig geborgen, fernab der Welt, gefangen in seiner Umarmung. Und völlig sicher. Hier will ich hin und nie wieder fortgehen. Er sagt es so oft: Er geht nicht fort. Wenn mir das bleibt, warum zweifle ich überhaupt? Wenn er nicht geht, spielt es dann eine Rolle, wie weit er körperlich weg ist über einige Zeit. Wenn er nicht geht, spielt es keine Rolle, ob ich zu meinen Eltern gehen werde oder nicht. Wenn er nicht geht, ist es auch egal, ob die Kaldorei mich verstoßen oder nicht. Ich werde nicht allein sein.

Langsam merke ich, wie die Kälte verfliegt. Auch der Schmerz ebbt ab. Ich sitze nicht mehr, realisiere ich doch langsam, dass ich liege. In einem Bett, mit einer Decke über mir. Ich liege in den Armen, die mir so viel Glücklichsein schenken. Und so viel Mut.